Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 353

1907 - Essen Berlin : Bachmann Baedeker
Erholung und Vergnügen. 553 zu nutze gemacht. Indem sie nun ihre Erlebnisse und Meinungen austauschten, schlossen sich ihre Herzen enger zusammen. Es fügte sich, daß sie beide in einer Stadt im schönen Neckartale Beschäftigung fanden, und jetzt sah man sie häufig am Feierabend in traulichem Gespräch beisammen. „Wie wollen wir den morgenden Sonntag zubringen?" fragte an einem Samstagabend der Steinmetz seinen Kameraden. „Ich habe mir vorge. nommen, morgen nach dem Gottesdienst an meine Lieben zu schreiben," ver- setzte der Zimmergeselle; „für den Nachmittag habe ich noch nichts geplant; aber du wirst vermutlich wieder einen tüchtigen Marsch in Vorschlag bringen, und der ist — wie du weißt — nicht ganz nach meinem Geschmacke. Wenn ich mich die ganze Woche hindurch am Bau redlich abgemüht habe, so möchte ich mir's am Sonntag ein wenig bequem machen." „Ganz recht, Bruder, der eine sucht Erholung und Vergnügen auf diese, der andere auf jene Weise," erwiderte der Steinmetz, „mir bietet die freie, schöne Gottesnatur mehr Erfrischung und Anregung als alles andere, und das verdanke ich dem braven Meister Gotthold im schönen Thüringerlande. Wie manche herrliche Wanderschaft hat er mit mir unternommen! Er war überhaupt ein großer Naturfreund. Das Gärtchen hinter seinem Hause war sein Stolz und bot ihm täglich Erholung und Vergnügen. Ich habe einmal gehört, daß die Chinesen es meisterhaft verstehen, das kleinste Stückchen Erde in einen prächtigen Lustgarten zu verwandeln. Von denen mußte Meister Gotthold wohl seine Gärtnerknnst gelernt haben. Der Meisterin lieferte er den ganzen Sommer hindurch Gemüse und Suppenkraut; aber es fehlte auch nie an Blumenzier, wie sie die Jahreszeit gerade mit sich brachte. Wohlgepflegte Topfpflanzen schmückten das Zimmer, nicht eben vornehme und ausländische; aber sie er- freuten doch das Auge und dufteten herrlich, und köstlich strömte das Sonnenlicht durch die Fuchsien und den Goldlack in die Stube herein. Nur zwei fremdländische Pflanzen pflegte der Meister mit besonderer Liebe. An der Sonnenseite seines Häuschens hatte er ein geräumiges Doppelfenster an- bringen lassen; dort gediehen trefflich einige Apfelsinen und Feigenbäumchen, und der gute Mann freute sich wie ein Kind, wenn er die kostbaren Früchte einheimsen und damit prunken konnte. Habe ich einmal ein eigenes Heim, so darf ein Fleck Grün vor dem Fenster oder hinter dem Hause nicht fehlen." „Ich arbeitete einmal bei einem Meister," nahm jetzt der Zimmermann das Wort, „der sich in seinen Mußestunden auf andere Weise ergötzte. Er wohnte in Düsseldorf am schönen Rheinstrom. Dort bestand ein Bürger- verein, dem auch mancher Handwerksmann angehörte, und mein Meister war ein eifriges Mitglied. Wurde ein belehrender Vortrag gehalten, so war er zur Stelle. Hin und wieder veranstaltete der Vorstand des Vereins an Sonn- tagen einen Unterhaltungsabend, zu dem jedermann Zutritt hatte. Da habe ich manche genußreiche Stunde verlebt. Einmal hielt z. B. der rührige Leiter des Vereins, ein Arzt, einen kurzen Vortrag über Gesundheitspflege; ein andermal führte ein Professor Versuche über die praktische Verwendung der Elektrizität vor; an einem dritten Abend sprach ein Richter über das neue bürgerliche Gesetzbuch, und so hörte man stets irgend etwas Interessantes und Lehrreiches. Dabei kam aber auch das Bedürfnis nach Vergnügen zu seinem Rechte. Gesangvereine ließen die schönsten Volksweisen erklingen; herrliche Gedichte wurden vorgetragen und prächtige Lichtbilder gezeigt, welche die Zuschauer in fremde Gegenden versetzten. Der Bürgerverein besaß ferner eine ©filterte, Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschule». 23
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer