1912 -
Essen Berlin
: Bachmann Baedeker
- Hrsg.: ,, Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
88 Theorie und Praxis. — Wohlfahrtseinrichtungen für Arbeiter.
Betrieben Beschäftigten nahezu 69 000. Erbin und Besitzerin der Werke ist
Friedrich Alfred Krupps älteste Tochter Bertha, die seit 1906 mit Herrn
Krupp von Bohlen und Haibach verheiratet ist. Als Verwaltungsform ist
die einer Aktiengesellschaft gewählt worden, deren Aktien jedoch sämtlich im
Besitze der Erbin sind. A. H. nach Fabrikberichten.
*44. Theorie*) und Praxis.
Die Erbauer eines großen Dampfschiffes hatten bei der größten Schmiede-
werkstatt Englands zu Patricroft Schmiedestücke von bis dahin nicht ge-
kannter Größe bestellt. Statt den Auftrag als unausführbar von der Hand
zu weisen, hatte der Besitzer der Werkstatt, James Nasmyth, einer der
tüchtigsten Techniker seiner Zeit, und sein Konstrukteur Wilson sich daran
gemacht, eine Vorrichtung zu erdenken, durch welche die Ausführung des
unerhörten Auftrages ermöglicht würde. Sie ließen nicht nach mit eisernem
Fleiß und Nachdenken, bis eine große Erfindung gemacht war, und — der
Dampfhammer (s. Nr. 94) war ersonnen. Durch dieses Werkzeug ließ sich
das Hammergewicht, wie es bei Krupp in Essen geschehen ist (s. Nr. 43),
bis zu 1000 Zentnern steigern; es ließ den Hammer von 10 Fuß Höhe
auf die zu schmiedenden Massen herabfallen, erhöhte die Schlaggeschwindig-
keit und legte diese gewaltigen Kräfte in die Hand eines einzigen Mannes.
Es ist der Vater der großen Geschütze, der Panzerplatten der ungeheuren
Achsen der heutigen eisernen Schiffe geworden.
Hier war einer jener seltenen Fälle eingetreten, daß die zwingende Not-
wendigkeit eine Erfindung gewissermaßen unmittelbar bei dem Genie bestellte,
und daß das Genie sie treulich lieferte. Solche Aufgaben vermögen freilich
in den meisten Fällen nur bahnbrechende Geister zu lösen, und diese lassen
sich daher leicht zu einer gewissen Geringschätzung der Leistungen der Ge-
lehrten verleiten. Die Technik ist zwar in erster Linie ein praktisches Ar-
beitsgebiet ; aber auch sie bedarf zu ihrer Förderung durchaus der Wissen-
schaft, besonders der Mathematik und der Naturwissenschaften. Andrerseits
verfolgen die Gelehrten eifrig die Fortschritte der Technik und machen sie
der Wissenschaft dienstbar. In dieser Weise müssen Theorie und Praxis
überhaupt Hand in Hand gehen; für beide kann es nur förderlich und
nützlich sein, wenn sie nach dem bekannten Sprichwort handeln : „Eine Hand
Wäscht die andere.“ Nach Max Maria von Weber.
*45. Wohlfahrfselnridifungen für Arbeiter.
i.
1. Schon i. J. 1844 forderte der westfälische Industrielle Friedrich
Harkort (s. Nr. 41) in einem bemerkenswerten Buche, für die Arbeiter die
Beschaffung billiger Nahrungsmittel: „der Fabrikherr solle seine Arbeiter
zu einem Vereine sammeln, welcher die notwendigsten Bedürfnisse in größerem
Maße anschaffe und unter sich verteile“. Auch auf die Wichtigkeit gesunder
*) Wissenschaftliche Erkenntnis, zusammenhängende Darstellung einer Wissen-
schaft oder Kunst im Gegensatz zur praktischen Ausübung oder Anwendung der
wissenschaftlichen Lehre.