1912 -
Essen Berlin
: Bachmann Baedeker
- Hrsg.: ,, Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Das Reisen in der „guten, alten" Zeit.
Fürsten, und der Kurfürst-Erzbischof von Mainz beeilte sich, seinen Kollegen
einzuladen, in dem Eltviller Schlosse „Herberge zu nehmen".
Über dem Hm- und verschreiben war das Frühjahr s58h gekommen.
Endlich setzte sich der Kurfürst in Bewegung, reiste wacker daraus los und
brauchte dennoch s8 Tage, um von Dresden nach Eltville zu gelangen. Er
nahm Weib und Kind mit, und sein Gefolge bildete einen langen Zug von
Rossen und Reisigen, für die immer schon mehrere Tage vorher „das Nacht-
lager verordnet werden und wegen der Geleitung und Ausrichtung Anord-
nung geschehen" mußte. Zm ganzen waren es 20h Pferde und Leibpferde.
Nun mache man sich ein Bild davon, wie sich das alles in den bodenlosen
Hohlwegen der damaligen Zeit abgezappelt haben mag!
Am 5. September J86^ entschloß sich die Kaiserin Eugenie von Frank-
reich, nach Schwalbach zu reisen, und am 7. September Nachmittags um
3 Uhr war sie da. Sie reiste mit zwei Begleitern, zwei Hofdamen, einer
Vorleserin, einigen Dienern und sechs Pferden. Der fürstliche Kurgast
mußte sich hinter wall und Graben decken, obgleich er innerhalb der Grenzen
des deutschen Landes blieb; die Kaiserin der Franzosen hieß die ihr zur
Verfügung gestellten Sicherheitswächter eiligst heimgehen. Sie wohnte in
einem Privathause, das alle Bequemlichkeit, aber keine Befestigung bot. Sie
genoß keinen Schutz als den ihrer Anmut und würde, keine Sicherheit als
die, welche die Ehre des deutschen Volkes gewährleistete. Aber dieser Schuh
war mächtiger, als der des wohlbefestigten Turmes von Eltville, in welchem
nun die Gattin des nastauischen Amtmanns ihre Pflaumen dörrt, in dem-
selben Raume, welcher ehedem das Prunkgemach eines der mächtigsten Fürsten
des heiligen römischen Reiches abgegeben hatte.
2. Um die Witte des J6. Jahrhunderts kamen die aus dem worgen-
lande stammenden Kutschen nach Deutschland; aber bis ins \7. Jahr-
hundert machte man die Reisen fast ausschließlich zu Pferde.
Noch im s8. Jahrhundert war die kleinste Reise ein Unternehmen,
welches die umständlichsten Vorbereitungen erforderte, und wobei oft Leib
und Leben oder wenigstens die gesunden Gliedmaßen auf dem Spiele standen.
Bei anhaltend schlechter Witterung waren die Wege meist unbrauchbar,
besonders für Frachtfuhrwerk, Hatte sich der Reisende dennoch durch alle
Hemmnisse und Gefahren einer Tagereise durchgearbeitet, so wartete seiner
in der Herberge nur karge Erholung, oft verbittert durch die Rücksichts-
losigkeit der Witreisenden und die Ungeschliffenheit des Wirts, der seine
Gäste als eine ihm auf Gnade und Ungnade verfallene Beute betrachtete.
Zm Spätherbst \7\2 machte ein Bürger von Schwäbisch-Gmünd eine
Reise nach dem etwa 8 poststunden entfernten Ellwangen. Er war ein wohl-
habender wann und ließ daher am Sonntag vor seiner Abreise „für glück-
liche Erledigung vorhabender Reise" eine Wesse lesen. Am wontag machte
er sich mit seiner Frau und deren Wagd auf den weg. Er bediente sich
eines zweispännigen „Planwägelchens". Noch bevor er eine Wegstunde
zurückgelegt hatte, blieb das Fuhrwerk im Kot stecken, so daß die ganze
Gesellschaft aussteigen und, bis übers Knie im Schmutz watend, den wagen
vorwärts schieben mußte. Witten in einem Dorfe fuhr der Knecht mit dem
linken Vorderrad unversehentlich in eine Pfütze, so daß „die Frau Eheliebste
sich Nase und Backen an den planreifen jämmerlich zerschuud". Nachher
mußte man Vorspann nehmen und kam doch erst nach 6 Stunden in dem
nächsten Orte an, wo übernachtet wurde. Am andern worgen brachen die