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1. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 245

1912 - Essen Berlin : Bachmann Baedeker
Die Bekämpfung der Tuberkulose. 245 „Aber Walter, redete die Mutter dem Sohne, einem hoch aufgeschossenen, 19-jährigen Burschen, zu, „Paul hat doch die schwere Lungenentzündung durchgemacht, und der Herr Doktor--------" „Ach, der Doktor hat nur Angst, weil unser Vater an der Schwindsucht gestorben ist. Du meinst, dein Paul hat vom Vater die Schwindsucht geerbt und ich-----------na, das Trinken!“ Damit brannte sich Walter eine Zigarette an, nahm den Hut und wandte sich zur Tür. „Du willst wieder fort?“ seufzte die Mutter. — „Wer arbeitet, muß auch abends sein Vergnügen haben.“ — „Ich gönne dir's ja; aber denke an deine Gesundheit und an deinen Vater!“ — „Seh’ ich etwa so aus, als ob mein Vater schwindsüchtig war? Sieh doch diese Muskeln!“ In diesem Augenblick trat der jüngere Bruder ein. „Du hast geweint, Mutter?“ fragte er, und seine blassen Wangen färbten sich. — „Nicht doch, Paul, ich meinte nur, dein Bruder möchte mehr um seine Gesundheit besorgt sein; unser Vater hat doch so früh hinweg gemußt.“ — „Ja, ja,“ erwiderte Paul, „davon sprach der Herr Doktor draußen in der Walderholungsstätte heute auch. Denkt euch nur; er hat für mich bei der Landesversicherungsanstalt den Antrag gestellt, daß ich noch ein Vierteljahr in einer Lungenheilstätte im Gebirge zubringen soll. „Was!“ stieß Walter hervor, „noch ein ganzes Vierteljahr keine Arbeit und keinen Lohn?“ Aber die Augen der Mutter füllten sich mit Tränen: „Paul, so schlimm steht es mit dir?“ fragte sie besorgt. „Die Sache ist ganz einfach, Mutter. Wir Müllers sind eben be- sonders empfänglich für Tuberkulose. Diese kleinen Pilzchen sind vermaledeite Dinger. Ein Lungenkranker befördert sie mit dem Auswurf in hellen Haufen ans Tageslicht, und nun können sie im Staub der Dielen und Wände wochen- lang leben, bis sie einmal, vom Luftzug oder vom Kehrbesen aufgewirbelt, von Kindern und Großen eingeatmet werden. Nicht jeder erkrankt durch sie; denn sonst würde die ganze arme Menschheit von dieser unheimlichen Gesellschaft bald überwuchert sein. Aber es gibt auch Menschen, in deren Lungen oder Mandeln oder Blut sich diese verwünschten Bazillen festsetzen und ungeheuerlich vermehren. Nach der Lungenentzündung haben sie sich hier oben in meiner linken Lungenspitze angesiedelt; denn der Herr Doktor hörte da ein verdächtiges Atemgeräusch; der Husten hörte nicht auf; ich hatte ständig mit Nachtschweiß zu schaffen und nahm immer mehr ab. Das bessert sich nun zusehends, seitdem mich der Doktor in die Walderholungs- stätte geschickt hat; aber nun soll ich mich, sagt er, in der Lungenheil- anstalt ganz auskurieren.“ — „Gebe Gott, daß es gelingt!“ sagte die Mutter, „die Gesundheit ist doch die Hauptsache.“ — „Ach was, das Arbeiten und Geldverdienen ist die Hauptsache !" rief Walter dazwischen. „Mutter, wenn ich erst wieder gesund bin, arbeite ich für dich und für mich; aber laßt mich das Fenster öffnen; den Tabaksqualm kann ich nicht vertragen.“ — „Die Abendluft wird dir doch nichts schaden?“ meinte Frau Müller. _________ „Nein, Mutter, reine Luft ist für mich die beste Medizin; das merke ich in der Walderholungsstätte.“ — „Ja, die andern Lazarusse da draußen machen dich erst recht krank,“ warf Walter ein. — „Bewahre, ihr ruhiges Atmen steckt nicht an; nur das Ansprudeln beim Sprechen, das Anhusten und der Auswurf sind gefährlich. Aber draußen muß jeder sein Taschentuch vor-
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