1912 -
Essen Berlin
: Bachmann Baedeker
- Hrsg.: ,, Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Erholung und Vergnügen.
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zu nutze gemacht. Indem sie nun ihre Erlebnisse und Meinungen austauschten,
schlossen sich ihre Herzen enger zusammen. Es fügte sich, daß sie beide in
einer Stadt im schönen Neckartale Beschäftigung fanden, und jetzt sah man
sie häufig am Feierabend in traulichem Gespräch beisammen.
„Wie wollen wir den morgenden Sonntag zubringen?" fragte an einem
Samstagabend der Steinmetz seinen Kameraden. „Ich habe mir vorge-
nommen, morgen nach dem Gottesdienst an meine Lieben zu schreiben," ver-
setzte der Zimmergeselle; „für den Nachmittag habe ich noch nichts geplant;
aber du wirst vermutlich wieder einen tüchtigen Marsch in Vorschlag bringen,
und der ist — wie du weißt — nicht ganz nach meinem Geschmacke. Wenn
ich mich die ganze Woche hindurch am Bau redlich abgemüht habe, so möchte
ich mir's am Sonntag ein wenig bequem machen." „Ganz recht, Bruder,
der eine sucht Erholung und Vergnügen auf diese, der andere auf jene
Weise," erwiderte der Steinmetz, „mir bietet die freie, schöne Gottesnatur
mehr Erfrischung und Anregung als alles andere, und das verdanke ich deni
braven Meister Gotthold im schönen Thüringerlande. Wie manche herrliche
Wanderschaft hat er mit mir unternommen! Er war überhaupt ein großer
Naturfreund. Das Gärtchen hinter seinem Hause war sein Stolz und bot
ihm täglich Erholung und Vergnügen. Ich habe einmal gehört, daß die
Chinesen es meisterhaft verstehen, das klemste Stückchen Erde in einen prächtigen
Lustgarten zu verwandeln. Von denen mußte Meister Gotthold wohl seine
Gärtnerkunst gelernt haben. Der Meisterin lieferte er den ganzen Sommer
hindurch Gemüse und Suppenkraut; aber es fehlte auch nie an Blumenzier,
wie sie die Jahreszeit gerade mit sich brachte. Wohlgepflegte Topfpflanzen
schmückten das Zimmer, nicht eben vornehme und ausländische; aber sie er-
freuten doch das Auge und dufteten herrlich, und köstlich strömte das
Sonnenlicht durch die Fuchsien und den Goldlack in die Stube herein. Nur
zwei fremdländische Pflanzen pflegte der- Meister mit besonderer Liebe. An
der Sonnenseite seines Häuschens hatte er ein geräumiges Doppelfenster an-
bringen lassen; dort gediehen trefflich einige Apfelsinen und Feigenbänmchen,
und der gute Mann freute sich wie ein Kind, wenn er die kostbaren Früchte
einheimsen und damit prunken konnte. Habe ich einmal ein eigenes Heim
so darf ein Fleck Grün vor dem Fenster oder hinter dem Hause nicht
fehlen."
„Ich arbeitete einmal bei einem Meister," nahm jetzt der Zimmermann
das Wort, „der sich in seinen Mußestunden auf andere Weise ergötzte. Er
wohnte in Düsseldorf am schönen Rheinstrom. Dort bestand ein Bürger-
verein, dem auch mancher Handwerksmann angehörte, und mein Meister war
ein eifriges Mitglied. Wurde ein belehrender Vortrag gehalten, so war er
zur Stelle. Hin und wieder veranstaltete der Vorstand des Vereins an Sonn-
tagen einen Unterhaltungsabend, zu dem jedermann Zutritt hatte. Da habe
ich manche genußreiche Stunde verlebt. Einmal hielt z. B. der rührige Leiter
des Vereins, ein Arzt, einen kurzen Vortrag über Gesundheitspflege; ein
andermal führte ein Professor Versuche über die praktische Verwendung der
Elektrizität vor; an einem dritten Abend sprach ein Richter über das neue
bürgerliche Gesetzbuch, und so hörte man stets irgend etwas Interessantes und
Lehrreiches Dabei kam aber auch das Bedürfnis nach Vergnügen zu seinem
Rechte. Gesangvereine ließen die schönsten Volksweisen erklingen; herrliche
Gedichte wurden vorgetragen und prächtige Lichtbilder gezeigt, welche die
Zuschauer in fremde Gegenden versetzten. Der Bürgerverein besaß ferner eine
H sin ecke Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen. 23