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1. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 411

1912 - Essen Berlin : Bachmann Baedeker
Das neue bürgerliche Recht. 411 aber auch damit wurde nicht dauernd Abhülfe geschaffen. Endlich nahm man ein fremdes Recht, das römische, zum Ersätze des hei- mischen an. Warum das römische Recht? — Die Römer hatten es wie kein anderes Volk verstanden, mit Hülfe von klugen Gesetzgebern und geistvollen Rechtsgelehrten ein planmäßig durchdachtes und besonders für die Geschäfte des bürgerlichen Verkehrs praktisches Recht auszugestalten. Dieses Recht, welches in dem weiten Ge- biete des römischen Weltreiches galt, hatte der Kaiser Justinian I. (527—565) in einem bürgerlichen Rechtsbuch aufzeichnen lassen. Die damaligen Rechtsschulen, namentlich die berühmten italienischen, legten nun dieses Buch ihrem Unterrichte zu Grunde, und auch die zahlreichen Deutschen, die in Italien die Rechtswissenschaft studierten, wurden im römischen Rechte unterwiesen und suchten es dann in der Heimat als Amtsleute, Sachwalter und Richter anzuwenden. Allmählich wurde es auch an den deutschen Hochschulen gelehrt. Dazu kam die im Mittelalter herrschende Anschauung, daß das „heilige römische Reich deutscher Nation“ eine Fortsetzung des römischen Reiches, der deutsche Kaiser also Nachfolger des römischen sei, und so gewöhnte man sich daran, auch das Rechtsbuch Justinians, obwohl es in lateinischer und griechischer Sprache verfaßt war, als deutsches Reichsrecht zu betrachten, und im 15. Jahrhundert begann das römische Recht an den deutschen Gerichten die Oberhand zu gewinnen. Wohl machte sich noch lange das Widerstreben weiter Volkskreise gegen die Neuerung bemerkbar; aber da Fürsten, Ge- lehrte und Staatsmänner das römische Recht schirmten, so war seine Aufnahme um die Mitte des 16. Jahrhunderts vollendete Tat- sache. Nun hatte man ein „gemeines“ (d. h. gemeinsames), aber dennoch weder ein einheitliches noch ein gewisses Recht. Kein einheitliches Recht; denn das besondere Recht der einzelnen Gebiete ging dem gemeinen vor, und nach dem Spruche „Landrecht bricht Reichsrecht“ konnte jeder Landesherr für sein Land, jede Stadt für ihr Weichbild besondere Gesetze geben. Kein gewisses Recht; denn die fremden Vorschriften paßten nicht immer für das deutsche Leben; die Streitfragen über Auslegung und Anwendung des fremdsprachigen Rechtsbuches mehrten sich deshalb, und die Prozesse wurden oft viele Jahre lang verschleppt. 2. In Preußen wurden zur Zeit der letzten Kurfürsten und unter den beiden ersten Königen mehrere ziemlich erfolglose Anläufe zur Abfassung eines Gesetzbuches gemacht; erst eine im Jahre 1780 eingesetzte Kommission brachte das Werk zu stände, und im Jahre 17y4 trat das „Allgemeine Landrecht“ in Kraft. Dieses Gesetz- buch bedeutete einen großen Fortschritt, da es durch vielfache Annähe- rung an volkstümliche Rechtsanschauungen und durch Beobachtung des praktischen Lebens das gemeine Recht in deutschem und modernem Sinne weiterbildete. Indessen wurde es nicht in allen Gebieten eingeführt, die Preußen seitdem erwarb. In den Ländern links vom Rhein und in Baden erlangte während der Napoleonischen Fremdherrschaft das französische „Bürgerliche Gesetzbuch“ Geltung,
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