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1. Teil 1 - S. 19

1899 - Essen : Bädeker
19 dem der Frohsinn zur andern Natur geworden, auch dann nicht verliess, wenn er mit den hohem und höchsten Ständen umging. Er war der Leib- arzt der Prinzessin Ferdinand. Diese hohe Frau hatte einen vortrefflichen, biedern, gutmütigen Sinn; sie und ihr Hof aber hatten noch die Sitten von Friedrich dem Grossen, der alle Leute „Er* nannte. Es trug sich zwischen ihr und dem berühmten Doktor folgende Begegnung zu. Die Prinzessin sitzt in einem prächtigen Empfangssaale auf einem Sofa und besieht durch ein Yergröfserungsgslas von der Fusssohle bis zum Scheitel den geforderten, vorgelassenen Heim: „Tret1 Er näher!* spricht sie und fährt dann fort: „Ich höre von Seiner Geschicklichkeit und von Seiner grossen Praxis sehr viel Rühmliches. Ich bin darum entschlossen, Ihn zu meinem Leibarzt zu ernennen.* „Eurer Königlichen Hoheit danke ich für Ihr Vertrauen; aber die Ehre, ihr Leibarzt zu sein, kann ich nur unter Bedingungen annehmen.“ Dies sagte Heim nach seiner Gewohnheit in einem heiteren, ungezwungenen Tone. Lachend erwidert die Prinzessin: „Bedingungen? Die hat mir in meinem ganzen Leben noch niemand gestellt.“ — „Nicht?“ antwortete Heim scherzend, „dann ist es hohe Zeit, dass Sie das kennen lernen.“ — „Nun,“ entgegnete sie „ich bin neugierig, welche Bedingungen es sind; lass Er hören!“ — „Die erste ist,“ antwortete Heim in munterer Laune, „dass Eure Königliche Hoheit mich nicht Er nennen; das ist nicht mehr an der Zeit. Die zweite Bedingung ist, dass Sie mich nicht lange im Vorzimmer warten lassen; ich habe keine Zeit zu verlieren, der längste Tag wird mir stets zu kurz. Die dritte ist, dass Eure Königliche Hoheit mir nicht so nach den Füssen sehen; ich kann nicht in Tanzschuhen, sondern nur in Stiefeln und im bequemen Oberrock kommen. Die vierte ist, dass Sie nicht verlangen, dass ich zu Ihnen zuerst kommen soll; ich komme nach Beschaffenheit der Krankheit und nach Lage der Strassen. Die fünfte ist, dass Sie mich nicht zu lange aufhalten und nicht von mir verlangen, ich soll mit Ihnen von Politik und von Stadtneuigkeiten schwatzen; dazu habe ich keine Zeit. Endlich die sechste, dass Sie mich, weil Sie eine Königliche Hoheit sind, königlich bezahlen.“ Beide lachten herzlich, und er war in diesem Verhältnis bis zum Schluss desselben gern gesehen, geachtet und geliebt. — Der ehrliche, fromme, gemütliche Herr hatte nicht Zeit, krank zu werden, und wurde, immer thätig, sehr alt. Sein fünfzigjähriges Doktor- Jubiläum feierte ganz Berlin; es währte drei Tage. Unaufhörlich in Anregung, war er endlich erschöpft und befahl, dass alles im Hause still sein sollte. Am Abend spät kam jedoch eine unbemittelte Bürgers- frau, die ihn zu ihrem kranken Kinde rufen wollte. Abgewiesen, drang sie, mit der Örtlichkeit hinreichend bekannt, in das Schlafzimmer des alten Mannes, der die weinende und lärmende Frau unhöflich abwies. — Alles ist wieder still geworden, und die besorgte Gattin sagt: „Lieber Heim, wie ist es mit dir? Du wirfst dich ja im Bette hin und her!“ „Ich kann,“ antwortete er, „nicht schlafen; es ist doch ein eigen Ding mit dem Gewissen! Ich muss hin!“ Er steht auf, vergisst alle Müdigkeit und eilt zum kranken Kinde, das er glücklich wieder gesund macht. Ungeachtet seiner überaus starken Praxis behandelte er jährlich 3000 bis 4000 Kranke unentgeltlich. Unbemittelten schickte er den 2*
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