1899 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Windmöller, Friedrich, Schürmann, Franz
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1897
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Erst in neuerer Zeit fing man an, dem Wegban eine größere Auf-
merksamkeit zu schenken. In Deutschland wurde 1753 die erste Kunst-
straße von Öttingeil nach Nördlingen gebaut. Friedrich der Große ließ
1757 eine Chaussee in Preußen anlegen. Die Hauptzeit der Chaussee-
bauten fällt in die Jahre von 1830-1860. Jetzt erstreckt sich der Bau
von neuen Verkehrswegen fast ausschließlich ans die Anlegung von Eisen-
bahnen. In den Freiberger Blei- und Silberbergwerken waren schon im
Mittelalter Holzbahnen üblich, auf denen die „Hunde", d. i. die Erze
führenden Karren, nach der Schachtöffnung geschoben wurden. Seit etwa
100 Jahren bedient man sich in den Bergwerken eiserner Bahnen, deren
Wagen durch Pferde gezogen wurden. Sie gaben in England den Anstoß
zum Eisenbahnban.
Die erste Dampfeisenbahn, welche dem Personen- und Güterverkehr
diente, wurde 1830 von Robert Stephensou'), dem Erfinder der Lokomotive,
eröffnet. Sie verband Manchesters und Liverpools. In Deutschland
wurde die erste Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth 1835 erbaut.
Jetzt aber umspannt ein gewaltiges Eisenbahnnetz einen großen Teil
der Erde.
Eisenbahnen führen jetzt über schmale Meeresarme, z. B. in Schott-
land, und durch sandige Wüsten, wie z. B. zwischen Alexandrien und
Suez; sie durchschneiden die Lagunen von Venedig, erklimmen hohe Berge,
wie Rigi und Vesuv, und übersteigen Alpenpässe; sie rollen durch die
Prärie und durch den Urwald. In Berlin geht die Stadt- und Ringbahn
hoch über dem Menschenverkehr hin; in London durchbraust der Zug den
Tunnel unter der Themse; ja man hat sogar den kühnen Plan gefaßt,
einen Tunnel unter dem Meere zwischen England und Frankreich anzulegen,
um so der Lokomotive einen Weg nach dem Festlande zu bahnen.
In Europa können wir bereits ununterbrochen von Madrid bis
nach Konstantinopel gelangen und von Brindisi in Süditalien bis nach
Petersburg. Rußland arbeitet daran, sein Schienennetz von der Wolga
durch Asien hindurch bis an den Großen Oeean auszudehnen. Die
Pyrenäen, der Brenner und der Semmering sind schon überschient; der
Mont-Cenis-Tnnnel durchbricht die Westalpen, und seit 1882 ist sogar
ein Tunnel von 2 Meilen durch den St. Gotthard gebaut. Der Gotthard-
Tunnel gehört zu den größten Wunderwerken der Neuzeit. Louis Favres
hat dieses Riesenwerk in 8 Jahren ausgeführt. Dieser Tunnel, der bei
Göschenen im Renß-Thale einmündet und bei Airolo im Tessin-Thale
wieder aus dein Schoße dieses ungeheuren Alpenberges heraustritt, ver
bindet Deutschland und die Schweiz unmittelbar mit Italien und hat
den Verkehr zwischen diesen beiden Ländern bedeutend erhöht.
Dieses ungeheure Netz von eisernen Verkehrswegen hat die größte
Umwälzung im Handel und Verkehr verursacht. Große Strecken des
östlichen und innern Mitteleuropas sind durch die schnellere Waren-
befördernng erst wirtschaftlich in die Höhe gekonunen.
Die europäischen Bahnen erweisen sich als höchst wichtige Beförderer
des Weltverkehrs; noch mehr hat dieser durch die großen Eisenbahnen
Nordamerikas gewonnen. Sieben große Paeifiebahnen^) verbinden dessen
0 spr. Stiv'ns'n. 2) spr. Manischester- 3) spr. Liverpuhl. spr. Lui Faver.
b) spr. Pcissiffikbahnen.