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1. Lesebuch für weibliche Fortbildungs- und Feiertagsschulen - S. 98

1906 - München : Oldenbourg
98 61. Von der Krankenpflege. Man denke sich eine Mutter, eine Gattin, eine Schwester am Kranken- bette! Das weibliche Wesen fühlt keine Müdigkeit und denkt nicht an sich selbst. In der stillen, einsamen Nacht bleibt die Frau nicht nur geduldig sondern man möchte sagen freudig an ihrem Platze. Ihr Ohr empfängt den Instinkt eines Blinden, wenn es von Zeit zu Zeit die leiseste Be- wegung, das leiseste Flüstern des jetzt mehr als je geliebten Kranken ausiaßt. Ihr Tritt, wie von einem Wink geleitet, könnte nicht ein Mäuschen aufstören; wenn sie spricht, ist ihr Ton das Echo einer natür- lichen Harmonie, die dem Ohr des Kranken wohltut und ihm alles sagt, was Mitleid, Trost und hingebende Liebe sagen können. Nacht auf Nacht wachend, pflegt sie den Kranken, gleich als wäre sie ein Wesen, aus einer höheren Welt gesendet. Ihr Auge schließt sich nie, ihr Gemüt ermattet nie und ihre sonst immer schwache Natur hat jetzt eine über- menschliche Kraft, eine überirdische Großmut erhalten; sie vergißt sich selbst und nur die Liebe gegen das leidende Herz beherrscht sie. Es ist selbstverständlich, daß die Pflegerin die Befehle des Arztes auf das pünktlichste vollzieht; doch hat sie daneben noch ein weites Feld selbständigen Handelns. Sie sorge vor allem für gute Luft im Kranken- zimmer, vermeide aber sorgfältig Zugluft; sie trete leise in das Zimmer und öffne und schließe geräuschlos die Türe; sie ziehe die Vorhänge zu, richte dem Kranken die Kissen zurecht, ordne täglich das Bett vollständig, vermeide das Aufliegen durch Einschiebung eines Luftkissens, wasche regel- mäßig das Gesicht des Kranken, unter Umständen den ganzen Körper desselben, sorge für reine Bett- und Leibwäsche, reiche dem Fiebernden den kühlenden Trank, gebe zur rechten Zeit die vorgeschriebene Arznei, biete ihren Arm dem sich mühsam Aufrichtenden zur Stütze, kurz, sie tue alles, was sie dem Leidenden an den Augen absieht, aber alles möglichst ohne vorerst von ihm gebeten worden zu sein, sondern alles ungezwungen als etwas ganz Selbstverständliches. Die Zeit des ärztlichen Besuches ist der Pflegerin in der Regel bekannt. Bis dahin muß das Zimmer in Ordnung sein, am Kranken- bette stehe ein leerer Stuhl (die Bekleidungsstücke und Wäsche des Leidenden erhalten einen andern Platz); man halte eine Waschschüssel, Seife und ein reines Handtuch für den Arzt bereit, ebenso ein Thermo- meter zur Messung des Fiebers des Kranken. Bezüglich der Krankenkost hat sich die Pflegerin vor allem genau an die Vorschriften des behandelnden Arztes zu halten. Selbst eine Lieblingsspeise muß in vielen Fällen verweigert und das von Besuchen Mitgebrachte dem Kranken oftmals entzogen werden. Der Kranke genießt in der Regel äußerst wenig; dies muß aber sorgfältig zubereitet sein und
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