Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Lesebuch für weibliche Fortbildungs- und Feiertagsschulen - S. 173

1906 - München : Oldenbourg
113. Einst und jetzt. 173 demselben Wege, alle gleichmäßig bedeckt vom Staube der Straße; doch sind die Gegensätze unter ihnen außerordentlich groß. Millionäre, ein- flußreiche Beanlle, stattliche Offiziere, ja Ftirsten schreiten da neben dem einfachen Handwerker und Arbeiter daher, die feine Dome im Samtkleide neben der Marktfrau und dem Dienstmädchen. Die verschiedensten Kreise der Gesellschaft, die alle anderswo ihren Mittelpunkt haben, bewegen sich auf der Straße durcheinander. So ebbet und flutet es in einer großen Stadt den ganzen Tag hindurch, bis er sich zu Ende neigt und die Abenddämmerung in die Straßen fällt. „Markt und Straßen werden stiller." Die Werkstätten fangen an sich zu leeren; ein Geräusch verstummt nach dem andern und die Arbeiter, Gehilfen und Gesellen ziehen in die Vorstädte hinaus, wo sie ihre engen Stübchen haben. Wenn aber am Firmamente die Himmelslichter angezündet werden, leuchtet auch in der Stadt allmählich ein Feuer nach dem andern auf. Bald ist die ganze Stadt beleuchtet. Nun versammeln sich die Bürger überall „um des Lichts gesellige Flamme", in dem stillen, traulichen Daheim bei Weib und Kind oder in Freundeskreisen. Du aber gehst in dein stilles Kämmerlein, fertigst deine Schularbeiten, liesest noch ein Kapitel in irgend einem guten Buche, denkst an Vater und Mutter und gehst dann zu Bett. Hugo Weber. 113. Kinst und zeht. Ich bin noch nicht sehr alt, kaum fünfzig, und doch weiß ich, wie sich in dieser Spanne Zeit der Verkehr mit lieben Bekannten und Freunden in der Ferne so gänzlich umgestaltet hat. Wie war es vor 50 Jahren, wie ist es jetzt? Meine Heimat ist ein Städtchen, ungefähr zwei Tagreisen von Bayerns Hauptstadt entfernt; eine gute Poststraße, die zwei der bedeutendsten Handelsplätze Süddeutschlands verbindet, führt hindurch. Mein Vater war ein angesehener Mann, der mit vielen Leuten in geschäftlicher Verbindung stand und öfters größere Reisen machte. Er schrieb viele Briefe und empfing auch solche in ganzen Paketen; denn er hatte Geschäftsfreunde in allen süd- deutschen Städten, in der Schweiz, in Frankreich, selbst in Amerika. Schon das Schreiben war zu jener Zeit noch ein Geschäft, das besonderer Vorbereitungen bedurfte. Das Papier bezog man in ganzen großen Bögen, die für jeden Brief besonders zugeschnitten wurden, bald größer bald kleiner; die Tinte machte sich mein Vater auch selbst und hatte hierzu in einer eigenen Schublade kleine Paketchen Tintenpulver in Vorrat. Von den schönen weißen Gänsekielen zum Schreiben stak immer ein ganzer Bund hinter dem Spiegel. Das Federschneiden war eine Kunst, die im ganzen Hause nur mein Vater verstand und deretwegen er von den Leuten der Nachbarschaft oft in Anspruch
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer