1906 -
München
: Oldenbourg
- Hrsg.: Lehrerinnen-Verein München
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mädchenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule, Feiertagsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): Mädchen
133. Der Wald und seine Bedeutung.
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Kälte würden wir erliegen, Nahrungsmittel, für uns erst durch des
Feuers Macht genießbar, würden uns nichts nützen, die Kraft des
Dampfes würden wir nicht kennen, durch sie uicht über Larrd und Meer-
fliegen, wenn es keine Wälder gäbe oder gegeben hätte.
Die Fortschritte der Kultur find an den Wald gebunden und doch
war die Kultur die größte Feindin des Waldes; sie ist es leider hier
und da noch jetzt. Deutschland, vormals mit dichten Eichen- und Buchen-
wäldern überdeckt, ist jetzt nur strichweise noch mit schönen Waldungen
versehen; nackte Berge, wüste Ebenen sind da, wo vormals dichte Wälder
standen. Was nützt der Flugsand, was trügt die Heide? Was könnte
der Wald, den man vor grauer Zeit aus Unverstand oder Eigennutz
geschlagen, nützen? Immer fühlbarer wird der Holzmangel; immer höher
steigen die Holzpreise. Die Steinkohlen und Braunkohlen wachsen nicht
nach; die Torfdecke des Moores vermehrt sich nur langsam; mögen sie
auch noch für Tausende von Jahren Brennstoff liefern, so wird doch
diese Quelle einmal versiegen.
Die Waldungen sind mit dem Wohle der Menschheit eng verknüpft;
von ihnen ist zum großen Teile das Klima, die geschützte Lage, die
Feuchtigkeit und Fruchtbarkeit des Bodens abhängig. In der Natur
greift alles ineinander, die Stoffe kreisen ohne Unterlaß. Die Pflanze
nimmt aus der "Luft Kohlensäure und andere gas- und dunstförmige
Produkte auf, welche von den Tieren ausgeatmet oder durch die Verwesung
in Freiheit gesetzt werden; sie haucht dagegen Sauerstoff in die Atmo-
sphäre aus. Dieser Sauerstoff dient den Tieren zum Leben. Der Baum
mit seinen grünen Blättern und jungen Zweigen bietet der Luft eine
große, aufnehmende und aushauchende Oberfläche entgegen; er bindet
den Kohlenstoff der Kohlensäure, um aus ihm Holz, Stärkemehl u. s. w.
zu bereiten. Der Wald entzieht der Luft durch seine ungleich größere
aufsaugende Oberfläche ungleich mehr der genannten Gase als die Wiese
und das Kornfeld; er gibt in gleichem Maße mehr Sauerstoff an die
Atmosphäre ab. Sein Einfluß auf die chemische Zusammensetzung des
Dunstkreises der Erde ist deshalb von großer Bedeutung.
Der Laubwald wirft alljährlich seine Blätter ab; selbst die Nadel-
hölzer verlieren nach einer bestimmten Reihe von Jahren ihre Nadeln.
In den Nadeln und im Laube erhält der Boden einen Teil der minera-
lischen Stoffe zurück, welche ihm die Wurzeln der Bäume entzogen; die
organischen Verbindungen der Blätter werden dagegen für den Boden eine
reiche Humusquelle. Der Schatten der Belaubung erhält dem Boden
seine Feuchtigkeit; die Verwesung arbeitet fort und fort; es entstehen
Moospolster; die Humusdecke des Waldes wächst von Jahr zu Jahr.