Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Lesebuch für weibliche Fortbildungs- und Feiertagsschulen - S. 206

1906 - München : Oldenbourg
206 135. Das Moos. 3. 3m N)alde steht geschrieben ein stilles, ernstes Wort vom rechten Tun und Lieben und was des Menschen Hort. 3ch habe treu gelesen die Worte schlicht und wahr und durch mein ganzes Wesen ward's unaussprechlich klar. 135. <b Bald werd' ich dich verlassen, sremd in die fremde geh'n, auf bunt bewegten Gassen des Lebens Schauspiel seh'n; und mitten in dem Leben wird deines Ernsts Gewalt mich Einsamen erheben; so wird mein Herz nicht alt. Eichendorff. Da« Moos. Unten am Waldesboden lebt ein winziges Geschlecht, bescheiden und harmlos: das Moos. Seine Pflänzchen sind die Zwerge der Pflan- zenwelt. Die größten davon sind nicht länger als ein Finger. Viele sind nicht größer als ein Nadelkopf. Wie zierlich überziehen sie den Grund des Waldes I Hier wölben sie dichte Polster von dunkel- grüner Farbe. Diese tragen lange, goldene Fäden mit Knöpfchen und goldnen Kronen darauf. Das ist das goldne Frauenhaar. Dort bilden gelblichgrüne Pflänzchen mit vielen Ästen weiche Ruhekissen. Mehr als hundert verschiedene Arten von Moosen leben still in Wald und Sumpf, an Stämmen und Felswänden, an Mauern und auf Dächern. Wie schwach ist doch solch ein Pflänzchen! Sein Stengel ist von schön geformten Blättchen dicht umhüllt und kaum so stark als ein Fädchen Zwirn. Der Fußtritt eines Vogels wirft es um, ja, ein Käfer, der vorbeiläuft, stößt das einzeln stehende zu Boden. Drum hat der hebe Gott auch immer große Gesellschaften, tausend und abertausend solcher Pflänzchen nebeneinander wachsen lassen. Diese Zwerglein richten in Gesellschaft gar manches aus. Wenn im rauhen Herbst die stolzen Bäume ihre gelben Blätter verlieren, dann ist das Moos am schönsten grün und wächst am besten. Es fängt die Eicheln und die Nüsse der Buchen und Haseln auf und umhüllt sie weich und warm. Die starken Bäume, die im Sommer so stolz auf das kleine Moos herabgesehen, frieren und zittern im Schneegestöber. Das weiche Moos kriecht an den Stämmen empor und ist ein warmes Winterkleid für sie. Die tausend Käfer des Sommers suchten sich Verstecke, als der rauhe Herbstwind kam. Sie krochen hinein ins weiche, warme Lager von Moos und schliefen da den ganzen langen Winter hindurch. Hier liegen runde Häufchen Spinneneier, dort ähnliche von Schmetter- lingen. Hier hat eine Raupe ihr Winterlager ausgesucht; dort ruht zusammengerollt eine Blindschleiche. Jetzt taut der Schnee. Die Tropfen eilen hurtig nach dem Bache. »Halt!« ruft das Moos den Flüchtigen zu. Mit seinen hundert Ärmchen hält es ihrer viele fest. »Ich habe viele Kinder,« sagt es, »die brauchen Morgentrank!« Das Moos reicht jedem von ihnen sein Tröpfchen: der Eichel, der Hasel- nuß, den Samenkörnchen von der Flockenblume und vom Vergiß- meinnicht; sie wachsen auf und trinken und keimen und das Moos schützt die zarten Sprossen vor dem kalten Märzenhauch.
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer