1906 -
München
: Oldenbourg
- Hrsg.: Lehrerinnen-Verein München
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mädchenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule, Feiertagsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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167 Geschichtliches über die deutschen Frauen.
Während in Deutschland das Rittertum verfiel, blühten die Städte
aus (vom 13. bis zum 16. Jahrhundert). Ihre Bewohner spalteten sich
in zwei große Klassen, den städtischen Adel oder die Patrizier und die
Handwerker. Allmählich erkämpften sich letztere, durch Zünfte erstarkt,
das Recht an der Verwaltung und Regierung der Stadt teilzunehmen.
Dennoch hielten sich das ganze Mittelalter hindurch die patrizischen
Gesellschaftskreise streng von denen des Volkes geschieden. Die Bürger-
häuser und deren Einrichtung waren lange Zeit höchst einfach; erst im
15. und 16. Jahrhundert entstanden jene stolzen Patrizierhöfe, auf welche
der Landadel mit neidischen Angen blickte. An fröhlichen Festen, Gastereien
und Kurzweil aller Art fehlte es den Städterinnen weniger als den
adeligen Damen auf dem Lande. Der wachsende Wohlstand aber machte
die Bürger nicht selten übermütig; Männer und Weiber gefielen sich in
prahlerischem Aufwande, so daß sich in vielen Städten der Rat veran-
laßt sah, durch Verordnungen die Verschwendungs- und Putzsucht ein-
zudämmen. So schrieb ein Erlaß des Magistrats in München um das
Jahr 1400 vor, „daß die Frauen nicht mehr als 2 Lot Perlen auf
ihren Haarkränzen tragen und den Mantel nicht länger als 2 Ouer-
finger am Boden nachschleppen dürften". Um jene Zeit nämlich kam
die Schleppe auf, die manchmal „etliche Ellen lang" getragen wurde.
Das Oberkleid war an den Seiten geschlitzt und wurde aufgenom-
men, um das reiche Unterkleid zu zeigen. Die Gewänder waren aus
gemustertem Stoff mit reichen Stickereien in Gold, Silber oder Seide
verziert und am Saume häufig mit Schellen besetzt. Verheiratete
Frauen trugen große, aus Krausen bestehende Hauben. In der Fuß-
bekleidung ahmte man schon die in Frankreich übliche Mode der
Schnabelschnhe nach.
Bei Festlichkeiten wurde übertriebener Aufwand in noch höherem
Maße gemacht. Meister Gundlinger, ein Augsburger Bäcker, richtete
seiner Tochter 1493 eine Hochzeit aus, die 8 Tage dauerte; dabei brauchte
er zur Speisung der 270' Gäste 20 Ochsen, 30 Hirsche, 49 Ziegen,
46 Kälber, 95 Schweine, 25 Pfauen, 106 Gänse, 515 Wildvögel und
15000 Fische und Krebse.
Iii. Neuzeit.
Zur Zeit der Reformation war die Beteiligung deutscher Frauen
und Mädchen an der religiösen Bewegung sowie an dem wieder erwachten
Studium des Altertums eine sehr lebhafte, wenn auch selbstverständlich
keine allgemeine. Prinzessinnen und Bürgerstöchter liebten es, sich die
Sprache Ciceros und Virgils anzueignen. Auch damals waren manche