1891 -
München
: Oldenbourg
- Autor: Lehrerinnen-Verein München
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten, Mädchenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten, Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule, Feiertagsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): Mädchen
104
65. Die Soldatenmutter.
einer theoretischen und praktischen Prüfung zu unterzieheu. Ist diese
bestanden, so treten die Schülerinnen in die Reihe der angestellten
Schwestern des Vereins. Als solche erhalten sie nebst Wohnung und
Kost einen Monatsgehalt bis zu 28 M. und sind zugleich für ihr Alter
gesichert. Dagegen verpflichtet sich die Schwester vom roten Kreuz, ihre
ganze Kraft der Pflege der Kranken zu widmen und im Kriegsfälle dem
Vaterlande auf dem Schlachtfelde und im Lazarette zu dienen.
Indem sich eine Frauensperson dem Dienste des roten Kreuzes
unterstellt, gibt sie vieles auf; aber sie erhält auch vieles dafür. Bei
erprobter Tüchtigkeit findet die Schwester Versorgung für Gegenwart
und Zukunft; im gemeinschaftlichen Leben mit ihren Genossinnen siudet
sie Ersatz für Familienbeziehungen, und überdies schafft ihr ihre Thätig-
keit bei jedermann die höchste Achtung und zuvorkommendste Rücksicht.
Überall ehrt man ihre selbstlose Thätigkeit: der Kranke nennt sie
Schwester, der Gebildete erweist ihr jede Hochachtung und ist ihr Be-
schützer in etwaiger Notlage, und selbst eine rohe Natur beugt sich vor
dem Glorienschein, der ihren Stand umgibt.
Wie viele Mädchen, die gezwungen sind, ihren Lebensunterhalt
selbst zu verdienen, hätten hier ein reiches Feld der gesegnetsten, ge-
achtetsten Thätigkeit! Was will ich werden? Diese Frage drängt sich
auf einer jeden Mund. Schart euch zahlreicher als bisher unter die
Fahne des roten Kreuzes! Unter ihrem Schutze empfindet ihr nicht die
Zurücksetzungen, Enttäuschungen und Verbitterungen, die mancher andere
Berns mehr oder weniger in sich schließt, freilich nur dann, wenn es
mit der Krankenpflege ernst genommen wird.
Jeder Lebensbernf will mit Ernst erfaßt und erfüllt werden, mehr
als jeder andere aber der einer Krankenpflegerin. Wer sich nicht einer
vorzüglichen Gesundheit erfreut, wer nicht Blut sehen kann, wer Ekel
empfindet, wer einen Unterschied machen will zwischen Geschlecht, Stand
oder Bildung, wer zu gefühlvoll, aber auch wer gefühllos ist, der bleibe
zurück und entheilige nicht diesen edelsten Beruf!
Ob barmherzige Schwester, ob Diakonissin, ob Schwester vom
roten Kreuz, ob einfache Krankenpflegerin im häuslichen Kreise: alle
sollen dienen in gleicher Liebe, in gleicher Weise und mit gleicher
Wärme dem gleichen Ziele — der Übung der Menschlichkeit, in Nöten
des Krieges und Friedens. (Nach Or. Kcrschensteiner „Das rote Kreuz".)
65. Iie Sokdatenmulter.
„Ach, wäre doch Schwester Martha hier!" so seufzten und jammerten
die verwundeten Franzosen auf dem Schlachtfelde von Jena im Jahre 1807,
und sie sahen sich vergebens um nach einer mildthätigen Helferin und Trösterin,