1891 -
München
: Oldenbourg
- Autor: Lehrerinnen-Verein München
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten, Mädchenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten, Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule, Feiertagsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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15. Das Moos.
sind nicht grösser als ein Nadelkopf. Wie zierlich überziehen sie
den Grund des Waldes! Hier wölben sie dichte Polster von dunkel-
grüner Farbe. Diese tragen lange, goldene Fäden mit Knöpf eben und
goldnen Kronen darauf. Das ist das goldne Frauenhaar. Dort bilden
gelblichgrüne Pflänzchen mit vielen Ästen weiche Ruhekissen. Mehr
als hundert verschiedene Arten von Moosen leben still in Wald und
Sumpf, an Stämmen und Felsenwänden, an Mauern und auf Dächern.
Wie schwach ist doch solch ein Pflänzchen! Sein Stengel ist von
schön geformten Blättchen dicht umhüllt und kaum so stark als ein
Fädchen Zwirn. Der Fufstritt eines Vogels wirft es um; ja, ein Käfer,
der vorbeiläuft, stöfst das einzeln stehende zuboden. Drum hat der
liebe Gott auch immer grosse Gesellschaften, tausend und abertausend
solcher Pflänzchen neben einander wachsen lassen. Diese Zwerglein
richten in Gesellschaft gar manches aus. Wenn im rauhen Herbst
die stolzen Bäume ihre gelben Blätter verlieren, dann ist das Moos
am schönsten grün und wächst am besten. Es fängt die Eicheln und
die Nüsse der Buchen und Haseln auf und umhüllt sie weich und
warm. Die starken Bäume, die im Sommer so stolz auf das kleine Moos
herabgesehen, frieren und zittern im Schneegestöber. Das weiche Moos
kriecht an den Stämmen empor und ist ein warmes Winterkleid für sie.
Die tausend Käfer des Sommers suchten sich Verstecke, als der
rauhe Herbstwind kam. Sie krochen hinein ins weiche, warme Lager
von Moos und schliefen da den ganzen langen Winter hindurch. Hier
liegen runde Häufchen Spinneneier, dort ähnliche von Schmetter-
lingen. Hier hat eine Raupe ihr Winterlager ausgesucht; dort ruht
zusammengerollt eine Blindschleiche. Jetzt taut der Schnee. Die
Tropfen eilen hurtig nach dem Bache. „Halt I" ruft das Moos den
Flüchtigen zu. Mit seinen hundert Ärmchen hält es ihrer viele fest.
„Ich habe viele Kinder,“ sagt es, „die brauchen Morgentrank!“ Das
Moos reicht jedem von ihnen sein Tröpfchen: der Eichel, der Hasel-
nuss, den Samenkörnchen von der Flockenblume und vom Vergiss-
meinnicht; sie wachsen auf und trinken und keimen, und das Moos
schützt die zarten Sprossen vor dem kalten Märzenhauch.
Die Pflänzchen kommen nun allenthalben hervor; die Käfer kriechen
heraus; die Schnecken schlüpfen ans Tageslicht, und aus den Puppen
kommen schöne Schmetterlinge. Aus fernen Ländern kehren Rot-
kehlchen und Nachtigallen wieder und beginnen ihre Nester zu bauen.
Sie tragen Reischen in den neubelaubten Busch und flechten sie in
einander. Nun fehlt es noch an einem weichen Bettchen für die Eier
und die künftigen jungen Vögel. Da fliegen die Alten zum weichen
Moos und bitten um seine Hilfe. Gutwillig gibt es seine Pflänzchen
her, dass die Vögel ihre Nester ausfüttern können. Bald kommt auch
das Häslein und das Reh. Sie suchen ein sicheres und trauliches
Versteck, wo sie die jungen Hasen und Rehe pflegen können. Für
sie breitet sich das Moos als weicher Teppich aus, auf dem sie alle
ein schönes Lager haben.