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1. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 18

1913 - Leipzig : Hahn
18 über hundert Knaben und Mädchen aus allen Jahrgängen zu gleicher Zeit in einem einzigen bescheidenen Schulraume unterrichten mußte und gewiß nur ganz wenig Zeit hatte, sich mit jedem einzelnen Kinde zu beschäftigen, so fiel ihm doch gar bald der aufgeweckte und etwas wilde, kleine Krause auf; er schloß ihn in sein Herz und mühte sich mit großer Sorgfalt um seine Geistesbildung. Da brach plötzlich Unglück herein in das Haus des Vaters und warf für lange Zeit einen düsteren Schatten in die sonnige Jugendzeit des sonst so froh- gernuten Knaben. Eine heimtückische Krankheit ergriff nach und nach Vater, Mutter und alle im Hause lebenden Kinder, und leider hielt auch der unerbittliche Tod gar reiche Ernte im friedlichen Hause. Der treusorgende Vater und vier liebliche Kinder erlagen der schrecklichen Seuche, und als man Sarg um Sarg von dannen trug, da wollte denen, die zurnckblieben, schier das Herz brechen unter der Last des Leides und des Schmerzes. Karl genas zwar wieder und gelangte auch schnell in den Vollbesitz seiner Kräfte, doch die schönste Zeit der Kind- heit war für ihn vorbei. Mit dem vierzehnten Lebensjahre verließ er Limehna und übernahm das Amt eines Laufburschen, das ihm auf di? Empfehlung seines ihm wohlwollenden Lehrers vom Ratsherrn und Konditoreibesitzer Wilhelm Felsche anvertraut wurde. In Leipzig erschloß sich für den Bauernknaben eine neue Welt, und das gewerbfleißige Leben der schönen Stadt mit ihrer intelligenten Bevölkerung übte einen ganz gewaltigen Einfluß auf das bildsame Wesen des Knaben aus. Karl trug in Torten, Kuchen und inhalt- reichen Tüten Süßigkeiten aller Art in die Häuser, brachte aber immer in seine stille Kammer eine Menge kleiner Erfahrungen und Kenntnisse wieder mit zurück, die sein leicht erregbares Gemüt bis in die Nacht hinein bewegten. Bald gelang es ihm auch, die ländliche Sprechweise und die bäuerlichen Angewohnheiten, die ihm manchen Spott von seinen Genossen eintrugen, abzulegen und sich die verfeinerten Formen des städtischen Lebens anzugewöhnen. Auf die Dauer ver- mochten freilich die Biskuits und der Zwieback, die Zucker- und Schokoladenwaren, die er verpacken und austragen mußte, sein Interesse nicht zu erschöpfen. Sein lebhafter Geist verlangte nach. kräftigerer Berätigung, und dazu fand sich bei seiner jetzigen Arbeit doch zu wenig Gelegenheit. Seit einiger Zeit hatte es ihm ein anderer Beruf angetan, von dem er in Limehna nie etwas gesehen und gehört hatte, dessen Ausübung ihm aber jetzt als das höchste Ideal menschlicher Arbeit erschien. In Leipzig war es, wo damals die erste große Eisenbahn Deutschlands eröffnet worden war. Da stand nun Karl gar oft am neuerbauten Geleise und staunte den Zug an. der mit Blitzesschnelle dahinbrauste und die Schätze des menschlichen Gewerbsteißes oder Hunderte von Menschen hinausbeförderte aus der Stadt und mit ungeahnter Schnelligkeit an ihr fernes Ziel brachte. Voll Bewunderung sah er den Mann an, der mit einem einzigen Drucke der Hand die geheimnisvolle Kraft des Dampfes regierte und
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