1913 -
Leipzig
: Hahn
- Hrsg.: Leipziger Fortbildungsschul-Direktoren und -Lehrern
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1901
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule, Fachschule, Gewerbeschule
- Regionen (OPAC): Dresden
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Gotthard und seine beiden Gesellen, Arnold und Jakob, sowie Lutke, der
Lehrjunge, und der freiwillig mitschaffende Gilbrecht wechselten während
der Arbeit nur dann und wann ein paar Worte, bei denen aber keine
Hand feiern durfte. Immerhin ging es bei der Böttcherei laut genug
her, daß sie alle fünf nicht gleich bemerkten, wie sich die Haustür öffnete
und zwei Männer eintraten. Über das scharf gezeichnete, verbissene Gesicht
des einen von ihnen, eines langen, hageren Mannes in den fünfziger
Jahren, flog ein häßliches Frohlocken, und fast auf der Schwelle noch
wandte er sich halb zu seinem Begleiter um und sagte ihm leise: „Das
ist gut! Er arbeitet mit drei Gesellen und einem Lehrjungen." Dann
gingen sie auf den Meister zu, der sie jetzt erblickte, sich von der Schneide-
bank erhob und ihnen entgegentrat. Auch die Gesellen stellten die Arbeit
ein, und der erste der Eingetretenen sprach: „Gott grüße euch, Gott
weise euch, Gott lohne euch, ehrbarer günstiger Meister, und euch, hübsche
Gesellen! Wir kommen, eure Gelegenheit zu besehen nach Handwerks
Gebrauch und Gewohnheit."
„Seid willkommen wegen des Handwerks!" sagte der Meister. „Wir
wissen wohl," nahm jetzt der zweite das Wort, „daß es bei dir nicht von-
nöten ist, Henneberg, aber du weißt auch, daß wir es tun müssen mit
eines hochedlen Rates Vollbord und Befehlich und nach des ehrbaren
Amtes Ordnung." „Ich weiß," sagte der Meister, „tut eure Pflicht, ihr
Herren! Ich hoffe, ihr sollt nichts Wandelbares finden. Zählt und meßt
die Großheit und die Kleinigkeit und die Unwissenheit, wo ich gefehlt habe."
„Ei, lieber Meister, was redet ihr!" sagte der Lange wieder, „ihr,
der Amtsmeister der ehrbaren Böttchergilde und aller Handwerker leuchtend
Borbild, solltet Wandelbares haben; das ist ja zum Lachen." Aber das
Lachen kam nicht von Herzen, und der Meister gab auch keine Antwort
darauf, sondern schüttelte dem zweiten, einem kräftigen, untersetzten Manne,
freundlich die Hand und sagte, als er dessen besorgten Blick erst auf
Gilbrecht und dann auf ihn selber sah, ruhig lächelnd: „Gilbrecht, mein
zweiter, ist eben aus der Fremde gekommen und wirkt aus Langeweile
und zu seinem Vergnügen heute hier ein wenig mit, ist aber nicht mein
Knecht." Das Gesicht des anderen heiterte sich auf, und die beiden
Männer fingen nun an, mit Visierrute und Kettenmaß ein paar Tonnen
auszumessen und das Boden- und Stabholz sowie die Reifenbunde flüchtig
zu überzählen. Aber sie taten es nur zum Schein, um der Vorschrift
äußerlich zu genügen; denn sie wußten wohl, daß hier alles echt und
gerecht und unsträflich war. Es waren die Wardierer, welche die Pflicht
hatten, in bestimmten Zeitabschnitten und zwar unangemeldet und über-
raschend in den Werkstätten die Gelegenheit zu besehen und alle Hand-
werksarbeit genau zu prüfen, zu wägen und zu messen, ob sie genau nach
der strengen Handwerksordnung von tadellosem Rohstoff, nach rechtem
Maß und Gewicht und in der vorgeschriebenen Art und Weise hergestellt
und mit des Meisters Hausmarke gezeichnet war. Sie mußten das Holz,
das zu Waffer oder zu Wagen gekommen war, untersuchen, ob es trocken
und nicht rissig, von der richtigen Art und von den geschworenen Holz-
Lesebuch f. Fortbildungsschulen rc. Allg. Teil. H