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1. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 212

1913 - Leipzig : Hahn
212 sicherte der Berichterstatter, daß es ihm trotz der schnellen Fahrt vollständig gelungen wäre, die Gänse auf einer Wiese in der Nähe von Steglitz zu zahlen. Und das würde wohl jedem Berliner mit ruhigem Blicke gleich- falls möglich sein. Diese Voraussetzung bewährte sich vollkommen. Die Bahn wurde fertig. Die Berliner zählten die Gänse, wenn solche da waren, und ge- wöhnten sich dermaßen an die Geschwindigkeit, daß man sehr bald die ganze Fahrt bis Potsdam in anderthalb Stunden abmachen konnte. Als am» Ende gar noch die Eisenbahn die Post auf den Rücken nahm und mit ihr in die Welt hineinjagte, vertrauten sich selbst Posträte ihr an und fanden, daß die Welt nicht ihrem Untergange deshalb zueile. Von da ab wühlte der böse Zeitgeist gar schrecklich in der unruhigen Menschheit. Man begnügte sich nicht mehr, mit all den Eisenbahnen nach allen Seiten hin gewaltige Reisen, auf denen man sonst Wochen zu- brachte, in einem Tage abzumachen; nein, man faßte den Entschluß, auch ñachis die Reisenden zu befördern. Mitten in der Nacht? Gar durch die ganze Nacht? Es war ein erschreckender Gedanke l Wer wird denn des Nachts reisen? Wer anders will denn des Nachts reisen als Diebe und Mörder? Wird es selbst der wachsamsten Polizei möglich sein, hierüber eine Kontrolle auszuüben? Die verwegene Idee erregte Schaudern in allen redlichen Gemütern, die da wissen, daß die Nacht keines Menschen Freund ist. Man mochte sich Nur mit dem Gedanken trösten, daß die Nachtzüge gewiß nur sehr, sehr langsam fahren und nur ganz solide Reisende befördern werden, die den Nachweis führen, daß sie durch besondere Umstände genötigt find, zu Nachtreisen ihre Zuflucht zu nehmen. In der Tat begannen die Nachtzüge zuerst mit langsamen Fahrten; «her nach kurzer Zeit kehrte sich die Weltorduung vollständig um, die Nachtzüge wurden die Jagdzüge, und viele Leute finden jetzt, daß das Reisen am Tage eine Zeitverschwendung ist, da mau im Schlafcoupä, i« das man in Berlin abends einsteigt, vortrefflich ruht und am Morgen in Köln frisch und munter ist, um dort seine Geschäfte abzuwickeln. Und merkwürdig! Die statistischen Aufnahmen beweisen, daß von allen Unfällen, die Eisenbahnreisende betreffen, gerade die Nachtfahrer am allermeisten verschont bleiben. Bernstein. 93. Der letzte Postillon. Bald ist, soweit die Menschheit haust, der Schienenweg gespannt; es keucht und schnaubt und stampft und saust das Dampfroß rings durchs Land. Und wied'rum in fünfhundert Jahr' weiß der Gelahrtste nicht zu sagen, was ein kfaudrer war, was Fuhrmanns Recht und Pflicht. Nur in der Nacht der Sonnenwende wo dunkle Schemen gehn, wird zwischen Grd' und Firmament ein fremd Gespann gesehn. Der Schimmel trabt, die peitsche schwirrt, laut schmettert posthornton. Als Geist kommt durch die Luft kutschiert ein greiser Postillon.
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