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1. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 284

1913 - Leipzig : Hahn
284 arbeitete er seit seinem zwölften Jahre in Vorrat und mußte nach des Vaters Willen bereits im Sommer damit anfangen. „Selbst Zeichen- unterricht gab ich einst an vier Knaben und Mädchen", berichtet er selbst aus seiner Jugend. „Die Stunde kostete a Person einen Groschen. Die Vorlageblätter hatte ich selbst gezeichnet. Bisweilen wurde ich wohl vom Spielplatz zur Ausübung meiner Pflicht und Würde geholt; ich präsen- tierte mich dann in einem Kostüm, welches der Achtung der Schüler keinen Eintrag tat — nämlich in einer grüngewürfelten Jacke und einer Leder- hose; Mütze und Stiefeln waren im Sommer nicht nötig, ich ging barfuß. Stiefel wurden nur Sonntags angezogen." Ein neues Kleid erhielt der Knabe bis zu seiner Konfirmation nie, es wurde ihm entweder aus ab- gelegten Sachen etwas zurechtgemacht, oder der Vater kaufte auf dem Trödelmarkte ein notwendiges Kleidungsstück für ihn. Weit entfernt, mit den ihn umgebenden ärmlichen Verhältnissen unzuftieden zu sein, fühlte sich der Knabe durchaus glücklich und widmete sich mit Eifer der Ausübung seiner Kunstfertigkeit. Die Erträgnisse der- selben steigerten sich in den letzten Jahren vor seiner Konfirmation auf 10 bis 12 Taler jährlich. Diese lieferten einen willkommenen Beitrag zu dem kärglichen Haushalt der Eltern. Welche Genugtuung war es für ihn, mit seinem Fleiße den guten Eltern die Sorge erleichtern zu helfen! Während andere Kinder sich am Spiel ergötzten, saß er in der einfachen Wohnstube, über seine Arbeit gebückt, jede der schnell dahineilenden Minuten benutzend. So lernte der junge Rietschel schon in der Kindheit den Wert und die Bedeutung der kostbaren Zeit kennen und schätzen. Ihm bot dabei das ftohe Gefühl, das treiben zu dürfen, wozu er vor allem Lust hatte, tiefe Befriedigung. So verging Rietschels Kindheit. Die Konfirmation kam heran und mit ihr die Notwendigkeit, sich für einen Beruf zu entscheiden. Der Ge- danke an die Kunst, der den Knaben am meisten beschäftigte, konnte wegen der fehlenden Mittel nicht in Betracht kommen. Rietschel fand bei einem Krämer seiner Vaterstadt als Lehrling Aufnahme. Das harte und strenge Wesen dieses Mannes ertötete jedoch in kurzem die ohnedies geringe Lust zum Kaufmannsstande in dem Jünglinge. Von schwerer Krankheit befallen, mußte er nach wenigen Monaten ins Elternhaus zurückkehren. Unaufhalt- sam brach nach seiner Genesung der langgehegte, immer wieder zurück- gedrängte Wunsch hervor, sich auf der Dresdner Akademie zum Maler auszubilden. Der Vater gab den heißen Bitten des Sohnes nach und bemühte sich um Aufnahme für ihn an der genannten Anstalt. Rietschel erhielt die Aufforderung, sich dem Akademiedirektor Seiffert vorzustellen. Da die bei dieser Gelegenheit vorgelegten Zeichnungen dessen Beifall fanden, wurde die Aufnahme des Jünglings in die Akademie zu Michaelis 1820 bewilligt. Sein sehnsüchtiger Wunsch verwirklichte sich. Wohl wußte er, daß der Zuschuß der Seinen ttotz aller Aufopferung nur sehr gering sein konnte. Aber was galten ihm die seiner wartenden Mühsale und Ent- behrungen, da er nun seinem Ziele zustteben durste! Mit wenig Geld in
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