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1. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 306

1913 - Leipzig : Hahn
306 134. Nur ein Schafhirt. Es war am 12. Oktober 1806. Vor zwei Tagen hatte das Gefecht bei Saalfeld stattgefunden, in welchem der Prinz Louis Ferdinand gefallen war. Nun standen die Hauptarmeen der beiden Gegner, Preußen und Franzosen, sich nahe gegenüber. Nur noch zwei Tage, und die unglück- liche Schlacht bei Jena und Auerstädt sollte geschlagen werden. Ein preußisches Armeekorps unter dem Fürsten Hohenlohe, etwa 40000 Mann stark, hatte rechts von der Straße, die von Jena nach Weimar führt, zwischen den beiden Flüssen Ilm und Saale Aufstellung genommen. Seine Vorposten befanden sich auf dem Landgrafenberge, einem steilen Berge, der zwischen diesen Truppen und der Stadt Jena lag. Von dem Gipfel dieses Berges konnte man das preußische Heer ganz und gar übersehen, und über ihn führte der einzige Weg, um es von vorn anzugreifen. Die preußische Hauptarmee stand unter dem Kommando des Herzogs von Braunschweig. Sie war über 65000 Mann stark und hatte sich eine Stunde weiter nach Weimar zu aufgestellt. Die Preußen waren mit gutem Mut, ja mit Übermut in den Kampf gezogen. Schon wurden die Vorbereitungen zu der großen Schlacht getroffen, die in zwei Tagen geschlagen werden sollte. Es lag wie eine schwere, drückende Gewitterschwüle auf der ganzen Gegend. Alle Dörfer ringsum waren bereits von den Feinden geplündert, und viele von ihren Einwohnern hatten sich mit einem Teil ihrer Habe und ihres Viehes auf die bewaldeten Höhen jenseits der Saale geflüchtet. An einem Bergabhange des linken Saaleufers stand am Nachmittage des 12. Oktobers ein Mann, der, auf einen Stab gestützt, in das Tal hinabschaute, durch welches die Straße von Jena nach Naumburg sich hindurchzieht. Unten war ein buntes, wirres Leben. Soldaten, Pferde, Wagen drängten einander. Der Mann im blauen, langen Rocke, mit breitkrempigem, schwarzem Hute und langer Weste war der Schafhirt. Starr und gedankenvoll ruhte sein Auge auf diesem Treiben. Nur zu- weilen warf er einen Blick auf die vier oder fünf Schafe neben sich, und dann zuckte um seinen Mund ein trauriges Lächeln. Noch vor kurzer Zeit hatte er hier für seinen Herrn eine zahlreiche Herde geweidet. Diese wenigen Tiere waren alles, was ihm davon übrig geblieben war. Sie gehörten ihm, und er hatte sich mit ihnen hierher geflüchtet. Der Abhang des Berges war steil, und er durfte hoffen, daß die Feinde nicht auf den Berg kommen würden. In dem Dorfe dort unten im Tale besaß der Schäfer ein Haus. Die Franzosen hatten sich in diesem einquartiert und ihn daraus vertrieben. Alle Vorräte, die er für seine Familie und seine Tiere zum Winter gesammelt hatte, waren ihm genommen worden. Was sollte er nun noch da unten im Dorfe? Er mochte das Treiben der übermütigen Feinde nicht in der Nähe ansehen. Seine beiden Söhne standen drüben in dem preußischen Heere, und zu ihnen eilten seine Gedanken. Wenn er jünger gewesen wäre, er hätte gern die Waffen zur Hand genommen, um die Frechheit der übermütigen
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