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1. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 311

1913 - Leipzig : Hahn
311 „So zeigt uns den Weg!" sagte der Marschall. „Ihr sollt eine reiche Belohnung dafür haben." Born schwieg eine Weile. Es wogte in seinem Herzen wie ein stürmendes und brausendes Meer. Er konnte, er durfte nicht zum Ver- räter werden. „Wollt ihr uns den Weg zeigen?" fragte der Marschall. „Nein!" antwortete der Schäfer fest und bestimmt. „Ich würde schlecht gegen meine eigenen Landsleute handeln, wenn ich es tun wollte." „Ihr wollt also nicht?" rief der Marschall. „Glaubt ihr, daß wir nicht auch ohne euch den Weg finden werden? Wir dürfen ja nur den Berg nach allen Seiten untersuchen. Aber es liegt mir viel daran, diesen Weg heute und noch in dieser Stunde zu erfahren." „Ich verrate ihn nicht", entgegnete Born mit aller Festigkeit eines deutschen Mannes und eines guten Gewissens. „Ihr wollt nicht?" fuhr der Franzose auf. „Ihr wagt es, mir zu trotzen? Glaubt ihr, daß ich euch dazu nicht zwingen kann, wenn ich will?" „Mich kann niemand dazu zwingen!" erwiderte der brave Hirte. „Nicht? Nun, ich werde es dir zeigen. Der Ausgang einer ganzen Schlacht soll nicht von deinem guten oder bösen Willen abhängen. Du erhältst eine reiche Belohnung, wenn du uns den Weg zeigst. Beharrst du aber auf deiner boshaften Weigerung, so mußt du sterben — hörst du? — sterben; — nun entscheide dich!" Born schwieg. Keine Muskel zuckte oder verzog sich auf seinem wetterharten und ehrlichen Angesichte. „Es ist mein Ernst!" rief der Marschall noch einmal. „Du stirbst, wenn du mir zu trotzen wagst!" Der Schäfer sah und hörte nur zu deutlich, daß die Drohung ernst gemeint war. Er konnte an ihrer Ausführung nicht zweifeln. Sein Gesicht wurde bleich. Er zitterte leise, und einen Augenblick lang drohten seine Knie unter ihm zusammenzubrechen. Er dachte an sein armes Weib und an seine Kinder. Die Versuchung war groß und schwer. Aber er überwand sich und erlangte bald seine frühere Fassung wieder. Dann sprach er fest: „Ich bin kein Verräter und will auch keiner werden!" „Du willst also nicht?" rief der Marschall heftig. „Nein!" antwortete der wackere und heldenmütige Mann. „Führt ihn fort!" befahl der Marschall in heftigem Zorn einem Offizier. „Führt ihn fort! Gebt ihm noch eine halbe Stunde Zeit, sich zu besinnen! Wenn er dann noch ebenso trotzig ist, so laßt ihn ohne weiteres erschießen!" Er wandte sich ab, und Born wurde von den Soldaten fortgeführt. Sielert, dem durch den Tod des Alten ein gehoffter Gewinn entging, trat listig und schmeichelnd an ihn heran. Er stellte ihm vor, was er durch kluges Nachgeben gewinnen und dagegen durch fortgesetzten Trotz verlieren würde. Der Schäfer wandte sich unwillig und verächtlich von dem Verräter hinweg. Auch der französische Offizier redete ihm mü
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