1913 -
Leipzig
: Hahn
- Hrsg.: Leipziger Fortbildungsschul-Direktoren und -Lehrern
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1901
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule, Fachschule, Gewerbeschule
- Regionen (OPAC): Dresden
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
321
Anzahl junger Männer auf und erklärte, sie würden dasselbe tun. Als
rin Bräutigam zögerte, sich von seiner Verlobten zu trennen und ihr
endlich doch seinen Entschluß verriet, sagte ihm die Braut, sie habe in
der Stille getrauert, daß er nicht unter den Ersten aufgebrochen sei. Die
Söhne eilten zum Heere und schrieben vor dem Aufbruch ihren Eltern
von dem fertigen Entschluß, die Eltern waren damit einverstanden; es
war auch ihnen nicht auffallend, daß der Sohn selbstwillig tat, was er
tun mußte. Wenn ein Jüngling sich zu einem der Sammelpunkte durch-
geschlagen hatte, fand er wohl seinen Bruder ebendort, der von anderer
Seite zugereist war; sie hatten einander nicht einmal geschrieben.
Die Universitäts-Vorlesungen mußten in Königsberg, Berlin, Bres-
lau geschlossen werden. Die Studenten waren einzeln oder in kleinen
Haufen aus dem Tor nach Breslau gezogen. Die preußischen Zeitungen
meldeten das kurz in den zwei Zeilen: „Aus Halle, Jena, Göttingen
sind fast alle Studenten in Breslau angekommen, sie wollen den Ruhm
teilen, die deutsche Freiheit zu erkämpfen." Nicht nur die erst blühende
Jugend trieb es in den Kampf, auch die Beamten, unentbehrliche Diener
des Staates, Richter, Landräte, Männer aus jedem Kreise des Zivil-
dienstes; auch die Stadtgerichte, die Büros begannen sich zu leeren. Schon
am 2. März mußte ein königlicher Erlaß diesen Eifer einschränken; der
Zivildienst dürfe nicht leiden; wer Soldat werden wolle, bedürfe dazu die
Erlaubnis seiner Vorgesetzten; wer die Verweigerung seiner Bitte nicht
tragen könne, müsse den Entscheid des Königs selbst anrufen. Wenige
Familien waren indes, die nicht ihre Söhne dem Vaterlande darboten;
vieler Namen stehen in gehäufter Zahl in den Listen der Regimenter,
allen voran der Adel Ostpreußens. Sein Beispiel wirkte auch auf das
Landvolk. Ungezählt ist die Menge der Kleinen, die mit ihren gesunden
Gliedern dem Staate alles brachten, was sie besaßen.
Während die Preußen an der Weichsel in dem Drange der Stunde
ihre Rüstungen selbständiger, mit schnell gefundener Ordnung und uner-
hörter Hingabe betrieben, wurde Breslau seit Mitte Februar Sammel-
punkt für die Binnenlandschaften. Zu allen Toren der alten Stadt
zogen die Haufen der Freiwilligen herein. Unter den ersten waren drei-
zehn Bergleute mit drei Lehrlingen aus Waldenburg, Kohlengräber, die
ärmsten Leute; ihre Mitknappen arbeiteten so lange umsonst unter der
Erde, bis sie zur Ausrüstung für die Kameraden 221 Taler zusammen-
brachten; gleich darauf folgten die oberschlesischen Bergleute mit ähnlichem
Eifer. Kaum wollte der König an solche Opfertätigkeit des Volkes
glauben; als er aus den Fenstern des Regierungsgcbäudes den ersten
langen Zug von Wagen und Männern sah, welcher aus der Mark ihm
nachgezogen war und die Albrechtsstraße füllte, den Zuruf hörte und die
allgemeine Freude erkannte, rollten ihm die Tränen über die Wange,
und Scharnhorst durfte fragen, ob er jetzt au den Eifer des Volkes
glaube.
Mit jedem Tage steigt der Andrang. Die Väter bieten ihre ge-
rüsteten Söhne dar. Landschaftssyndikus Elsner zu Ratibor stellt sich
Lesebuch f. Fortbildungsschulen rc. Nllg. Teil. 21