1913 -
Leipzig
: Hahn
- Hrsg.: Leipziger Fortbildungsschul-Direktoren und -Lehrern
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1901
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule, Fachschule, Gewerbeschule
- Regionen (OPAC): Dresden
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Reitern ein ins Gefecht eilender Generals der, als er den gekrümmt aus
dem Pferde sitzenden Unteroffizier sah, ihm die schlechte Haltung zu Pferd
verwies und im Kampfgedränge verschwand. Am andern Morgen hatte
der General erfahren, daß ihm jener Brave mit einer Kugel in der Brust
begegnet sei. Er beeilte sich, ihn persönlich aufzusuchen, ihm sein leb-
haftes Bedauern auszusprechen und somit den infolge eines Irrtums ge-
schehenen Vorwurf wieder gutzumachen. Der verwundete Unteroffizier er-
widerte indes: „Sie hatten eigentlich ganz recht, Herr General, wegen
so ein »bißchen Schuß« hätte ich wohl besser zu Pferde sitzen können."
Besondere Freude machte es den Kranken, wenn sie von ihren ge-
sunden Kameraden besucht wurden, oder wenn sich höhere Offiziere nach
ihrem 'Befinden erkundigten, oder wenn gar Kaiser Wilhelm selbst zu
ihnen kam.
Laß dir einmal erzählen, wie der König mit ihnen verkehrte! In
das Bürgerspital zu Saarbrücken kam er im August 1870 ganz unan-
gemeldet. — Die vorstehende Schwester, in voller Arbeit, mit der Küchen-
schürze und aufgestreiften Ärmeln, traf er im Hausgange. — „Liebes
Kind, ich bin der König, ich wollte hier meine Leute besuchen." Die
Diakonissin führte ihn nebst seinem Adjutanten die Treppe hinauf. Er
ging von Zimmer zu Zimmer und sprach mit jedem einzelnen, indem ec
sich nach seiner Wunde, seinem Regiment usw. erkundigte, nicht bloß
beim Herrn Oberst von Bismarck oder dem Major von Jena, sondern
auch bei jedem Gemeinen. Dann stieg er die Treppe hinunter und wollte
sich verabschieden, als die Schwester ihm bemerkte, oben unter dem Dache
lägen auch noch Verwundete. Der König bedauerte, bei seiner Ermüdung,
und da er noch in einem Privathause den Verwundeten einen Besuch zu
machen versprochen habe, nicht mehr zu den anderen gehen zu können,
und war schon vor der Tür seinem Wagen zugeeilt, da kam die Schwester,
welche die oben liegenden Kranken verpflegte, die Treppe herab mit der
lauten Frage, wo der König sei. Auf die Bemerkung, vor der Tür
könne sie ihn sehen, trat sie näher an ihn heran und erklärte, nicht für
sich, sondern für ihre Verwundeten, die so sehr danach verlangten, hätte
sie diese Gnade gewünscht. „Ja, dann muß ich noch einmal hinauf-
kommen", antwortete der 73jährige König und stieg die hohen Treppen
wieder hinauf, unterhielt sich oben mit den einzelnen, nahm sich mit
der Gabel aus dem Näpfchen des einen einen Bissen Fleisch, von dem
andern ein Stückchen Brot, lobte, wie gut sie verpflegt würden, und
schied dann von ihnen.
Im ganzen wurden während des Krieges in den Feldlazaretten
295 644 Kranke und Verwundete und in den staatlichen Reservelazaretten
einschließlich der Kriegsgefangenenlazarette 81202l verpflegt.
Viele Verwundete starben jedoch, ehe sie sorgsamer Pflege teilhaftig
werden konnten, oder hauchten auch ungeachtet derselben ihr Leben aus.
Sie erquickten sich in ihren letzten Stunden noch an Sprüchen und
Liedern, welche sie in ihrer Kindheit gelernt hatten und deren tiefe
religiöse Wahrheit sich ihnen jetzt recht lebendig erwies.