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1. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 364

1913 - Leipzig : Hahn
364 Reitern ein ins Gefecht eilender Generals der, als er den gekrümmt aus dem Pferde sitzenden Unteroffizier sah, ihm die schlechte Haltung zu Pferd verwies und im Kampfgedränge verschwand. Am andern Morgen hatte der General erfahren, daß ihm jener Brave mit einer Kugel in der Brust begegnet sei. Er beeilte sich, ihn persönlich aufzusuchen, ihm sein leb- haftes Bedauern auszusprechen und somit den infolge eines Irrtums ge- schehenen Vorwurf wieder gutzumachen. Der verwundete Unteroffizier er- widerte indes: „Sie hatten eigentlich ganz recht, Herr General, wegen so ein »bißchen Schuß« hätte ich wohl besser zu Pferde sitzen können." Besondere Freude machte es den Kranken, wenn sie von ihren ge- sunden Kameraden besucht wurden, oder wenn sich höhere Offiziere nach ihrem 'Befinden erkundigten, oder wenn gar Kaiser Wilhelm selbst zu ihnen kam. Laß dir einmal erzählen, wie der König mit ihnen verkehrte! In das Bürgerspital zu Saarbrücken kam er im August 1870 ganz unan- gemeldet. — Die vorstehende Schwester, in voller Arbeit, mit der Küchen- schürze und aufgestreiften Ärmeln, traf er im Hausgange. — „Liebes Kind, ich bin der König, ich wollte hier meine Leute besuchen." Die Diakonissin führte ihn nebst seinem Adjutanten die Treppe hinauf. Er ging von Zimmer zu Zimmer und sprach mit jedem einzelnen, indem ec sich nach seiner Wunde, seinem Regiment usw. erkundigte, nicht bloß beim Herrn Oberst von Bismarck oder dem Major von Jena, sondern auch bei jedem Gemeinen. Dann stieg er die Treppe hinunter und wollte sich verabschieden, als die Schwester ihm bemerkte, oben unter dem Dache lägen auch noch Verwundete. Der König bedauerte, bei seiner Ermüdung, und da er noch in einem Privathause den Verwundeten einen Besuch zu machen versprochen habe, nicht mehr zu den anderen gehen zu können, und war schon vor der Tür seinem Wagen zugeeilt, da kam die Schwester, welche die oben liegenden Kranken verpflegte, die Treppe herab mit der lauten Frage, wo der König sei. Auf die Bemerkung, vor der Tür könne sie ihn sehen, trat sie näher an ihn heran und erklärte, nicht für sich, sondern für ihre Verwundeten, die so sehr danach verlangten, hätte sie diese Gnade gewünscht. „Ja, dann muß ich noch einmal hinauf- kommen", antwortete der 73jährige König und stieg die hohen Treppen wieder hinauf, unterhielt sich oben mit den einzelnen, nahm sich mit der Gabel aus dem Näpfchen des einen einen Bissen Fleisch, von dem andern ein Stückchen Brot, lobte, wie gut sie verpflegt würden, und schied dann von ihnen. Im ganzen wurden während des Krieges in den Feldlazaretten 295 644 Kranke und Verwundete und in den staatlichen Reservelazaretten einschließlich der Kriegsgefangenenlazarette 81202l verpflegt. Viele Verwundete starben jedoch, ehe sie sorgsamer Pflege teilhaftig werden konnten, oder hauchten auch ungeachtet derselben ihr Leben aus. Sie erquickten sich in ihren letzten Stunden noch an Sprüchen und Liedern, welche sie in ihrer Kindheit gelernt hatten und deren tiefe religiöse Wahrheit sich ihnen jetzt recht lebendig erwies.
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