1913 -
Leipzig
: Hahn
- Hrsg.: Leipziger Fortbildungsschul-Direktoren und -Lehrern
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1901
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule, Fachschule, Gewerbeschule
- Regionen (OPAC): Dresden
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
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zum Suezkanal. Ein kleines Boot dampft uns entgegen, es bringt den
Lotsen. Die Maschine stoppt, und eine Strickleiter wird über Bord
geworfen. An ihr klettert der wetterfeste Mann in die Höhe; nachdem
er auf die Kommandobrücke gestiegen ist, geht es unter Volldampf vor-
wärts um eine Mole herum, die den Hafen schützt vor den mächtig
andrängenden Wellen. Noch ist das Schiff nicht zum Stehen gebracht,
da umschwärmen uns schon die Boote der Händler; denn Port-Said leb:
von den Fremden, und alle wollen verdienen. Die Stewards haben unz
schon vor ihnen gewarnt und alle Türen und Fenster der Kabinen
verschlossen. Die Falltreppe ist hinuntergelassen, doch auf ihr können sie
nicht herauf; denn ein Matrose steht dort und droht mit dem Tauende.
Was machen sie da? Hier ist eine Kette, und dorr läßt sich ein Strick
befestigen, an ihm klettern sie in die Höhe, und in kurzem wimmelt es
auf dem Deck von braunen und gelben Leuten, und alle preisen ihre
Waren an, zumeist in englischer Sprache, doch hört man auch deutsche
Brocken dazwischen. Da gibt es Seidenstoffe, Schmucksachen, Kleidungs-
stücke, Bernsteinketten, Straußeneier, Olivensachen von Jerusalem, Photo-
graphien, Früchte und alles mögliche andere, das mehr oder weniger
brauchbar ist. Wir bieten die Hälfte vom geforderten Preis, und sofort
wird uns der Gegenstand überreicht, er ist verkauft, und wir sind betrogen.
Bieten wir den vierten Teil, so lachen sie uns verständnisvoll an und
gehen weiter, sie wissen, daß sie es mit einem Alten zu tun haben.
Doch jetzt wird es ungemütlich auf dem Schiffe; denn mächtige
Kohlensähren haben sich an seinen Rumpf gelegt, und Korb/ auf Korb
werden die Kohlen hineingeschüttet in seinen geöffneten Bauch. Ein feiner
schwarzer Staub verbreitet sich über das ganze Schiff und legt sich aus
Gesicht und Kleider der Menschen.
Wer irgend kann, eilt deshalb an Land und besieht sich die Stadt.
Was ist das für ein Gewühl' Man wird fast erdrückt von all den
Eindrücken, die hier zum erstenmal mit ihrer ganzen Frische aus uns ein-
dringen. Alle Völker des Orients sind ja hier zusammengeströmt, alle
Rafsesarben sind vertreten, alle Sprachen werden gesprochen, alle Trachten,
sind zu sehen. Port-Said ist eng gebaut, um Schatten zu gewinnen,
Laden an Laden, Hotels, Konsulate, Banken, Magazine, nur wenige
Privathäuser! Führer drängen sich heran und lassen sich schwer zurück-
weisen , sie zeigen und erklären und verlangen Bezahlung. Man steht
einen Augenblick am Schaufenster, sofort merkt man ein sanftes Reiben
an den Füßen. Ein schwarzer Junge kauert am Boden und putzt die
Stiesel; man geht unwillig fort, doch er folgt nach, immer bereit, den
günstigen Augenblick wieder zu erhaschen und weiter zu putzen. Man
flüchtet sich in ein Cafe und steckt die Füße unter den Tisch. Es dauer;
nicht lange, so werden die Füße wieder durch Bürsten erwärmt. Der
Junge ist unter den Tisch gekrochen und verlangt nun Bezahlung. „Gib
mir 50 Pfennig," wurde einem meiner Freunde gesagt, „dann bist du
mich los."
Unter solchen Umständen kehrt man gern auf das Schiff zurück