1913 -
Leipzig
: Hahn
- Hrsg.: Leipziger Fortbildungsschul-Direktoren und -Lehrern
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1901
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule, Fachschule, Gewerbeschule
- Regionen (OPAC): Dresden
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
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mit den gekrümmten Fingern in die Luft krallte, den Mund aufsperrte
und die Augäpfel weißlich verdrehte; kraftlos plumpste der zerschmetterte
Schädel des Inden in den Sand, in den gelben, körnigen Sand, den die
Zähne knirschend zerbissen, der ein rotes Bächlein trank.
„Bajonette gefällt!" brüllte Grimpitz.
Es kam nicht zum Sturmlauf. Eine zweite, eine dritte . . . eine
sechste Salve der Spahis in die gepreßte Masse der wehrlosen Kompanie;
reihenweise taumelten, stürzten die Legionäre, der Borstenfeld klappte ein,
Frehse bellte heulend wie ein wunder Fuchs, dem die Kugel das Rückgrat
lähmt, der Bruggraber zuckte, Wetterle atmete Blut, Plankeneges Kopf
schwand zwischen den beiden Schultern der noch Lebenden . . . Einige
Deutsche suchten dennoch zu stürmen; den feuernden, unerbittlichen Gegner,
der hinzielte, wo nur einer sich noch regte oder im Sande wand, erreichte
keiner mit der Spitze seines Bajonettes.
Dem halbtot hinwankenden Grimpitz gab Hauptmann Maillard eigen-
händig den Fangschuß aus dem Revolver.
Drei Minuten genügten.
Die elfte Kompanie war gewesen. Bei den Sterbenden halfen die
Spahis mit krummen Messern nach.
Immer noch hatte Oberst de Döglier nicht hingesehen; erst als kein
Schuß mehr knallte, rief er: „Hauptmann, ich bitte."
„Zu Befehl." Maillards Augen glänzten.
„Herr Hauptmann, ich gratuliere Ihnen zu der herrlichen Waffen-
tat .. . " Es paßte so gar nicht zu einem Offizier der großen Armee,
daß die schwammigen Wangen des alten Obersten zuckten; tiefernst fuhr
er fort: „Vielleicht war wirklich nicht zu vermeiden, was geschehen ist,
Hauptmann . . . vielleicht .. . Sie taten, was Sie für recht hielten. Ein
unparteiisches Kriegsgericht wird über das Geschehene urteilen, und falls
Ihr Handeln in den Augen der Richter einer Entlastung bedarf, so mag
die Tatsache, daß ich zur rechten Zeit das richtige Wort nicht fand, für
Sie sprechen .. . Das gehört eigentlich nicht hierher ... Jetzt sorgen Sie
für die Bestattung der Gefallenen."
Da brauste Maillard auf: „Die Hunde auch noch einscharren ..."
Die mürben Züge des Obersten wurden hart, und recht metallen
klingend sagte Döglier: „Ich muß Sie höflichst bitten, Herr Hauptmann,
meine Worte nicht zu verdrehen. Ich befahl ausdrücklich, die Gefallenen
zu bestatten." Der Rappe trippelte unruhig. „Bis zum Abend er-
warte ich Sie in Sidi-bel-Abbes; unser Truppentransport ist um neun
Uhr fällig — und in acht Tagen stehen wir, so Gott will, am rechten
Rheinufer. Ich danke."
In edlem Schritt trabte der prächtige Araber des Obersten über den
weichen, gelben Sand, und die unbeschlagenen Hufe wühlten darin Löcher;
der Reiter hing lose im Sattel; es war ihm, als schmerzten die kranken
Nieren, und die Zügel pendelten schlaff. —