1904 -
Bautzen
: Hübner
- Autor: Welzel, Bert, Mühlan, Alois
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Landwirtschaftliche Winterschule, Ackerbauschule, Ländliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): Jungen
in
den Thron führte, da hatte der unablässig Lernende eine Schule
reichster Erfahrung durchgemacht; mit den neuen unabwendbaren
Ideen des Zeitalters hatte er seinen Frieden geschlossen, allerdings
unter festen Vorbehalten für das, was er die unveräußerlichen Vor-
rechte des Königtums nannte.
Aber in welche Fülle neuer erschütteruder Konflikte wurde der
neue Herrscher alsbald durch den ausbrechenden Streit über die von
ihm geschaffene Militärorganisation gerissen. In unlösbaren Wider-
spruch miteinauder traren, hier das verfassuugsmäßige, eben anerkannte
Recht der Volksvertretung, dort die heilige Pflicht für die neugestaltete
Armee, die Krone seines Lebenswerkes, von dessen Bestand oder Verfall
die Zukunft des Landes abhängig war.
Es gab keine friedliche Lösung des Zwiespaltes. Man kann
sich diese neue Periode ernster äußerer und innerer Bedrängnisse König
Wilhelms nicht schwer genug vorstellen; er, dem noch so Großes be-
schieden war, hat damals an Abdankung gedacht.
Aber schon hatte sich das grüßte Schicksal seines Lebens voll
zogen: an die Seite des erfahrungsreichen, arbeitsvollen, pflichttreuen
Fürsten war der Genius getreten. Mir der sicheren Fühlung seiner
fast untrüglichen Menschenkenntnis hatte er ihn erkannt und die rettende
Gewalt seines Wesens verstanden. So lange die Deutschen sich der
ruhmreichsten Zeiten ihrer neueren Geschichte erinnern werden, so lange
tvird der Bund Wilhelms I. und Bismarcks ihnen ein Gegenstand be-
wundernder Betrachtung bleiben. Die beiden großen und ivillensstarken
Männer hatten vieles mit einander gemeinsam: beide waren im
Innersten konservativ, wollten Krone und Armee befestigen, dem
preußischen Staate seine gebührende Machtstellung schassen. Aber
daneben waren sie doch grundverschieden: Wilhelm I. war soviel älter,
milder, gerechter, vorsichtiger, Bismarck soviel jünger, kühner, leidenschaft
licher, trotziger; Wilhelm war, so hat man gesagt, das moralische Ge-
wissen seines Kanzlers; dieser schreckte rücksichtslos vvr keinem Mittel
zurück, er war neben dem Könige die titanisch-revolutionäre Natur: -
was Wuuder, daß sie oftmals nur nach heftigem Kampfe miteinander
ineinander sich fanden! Und der König war ebenfalls vom stärksten
Selbstbewußt ein, er wollte regieren und regierte wirklich; Bismarck
konnte vieles, was er wünschte, nicht durchsetzen.
Ohne Beispiel in der Geschichte ist die Reinheit vornehmer Seelen-
größe, womit Kaiser Wilhelm, der Macht dieses Genius sich beugend,
diesem die gebührende und für volles Gelingen notwendige Stelle