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1. Deutsches Lesebuch für landwirtschaftliche Winterschulen, Ackerbauschulen und ländliche Fortbildungsschulen - S. 111

1904 - Bautzen : Hübner
in den Thron führte, da hatte der unablässig Lernende eine Schule reichster Erfahrung durchgemacht; mit den neuen unabwendbaren Ideen des Zeitalters hatte er seinen Frieden geschlossen, allerdings unter festen Vorbehalten für das, was er die unveräußerlichen Vor- rechte des Königtums nannte. Aber in welche Fülle neuer erschütteruder Konflikte wurde der neue Herrscher alsbald durch den ausbrechenden Streit über die von ihm geschaffene Militärorganisation gerissen. In unlösbaren Wider- spruch miteinauder traren, hier das verfassuugsmäßige, eben anerkannte Recht der Volksvertretung, dort die heilige Pflicht für die neugestaltete Armee, die Krone seines Lebenswerkes, von dessen Bestand oder Verfall die Zukunft des Landes abhängig war. Es gab keine friedliche Lösung des Zwiespaltes. Man kann sich diese neue Periode ernster äußerer und innerer Bedrängnisse König Wilhelms nicht schwer genug vorstellen; er, dem noch so Großes be- schieden war, hat damals an Abdankung gedacht. Aber schon hatte sich das grüßte Schicksal seines Lebens voll zogen: an die Seite des erfahrungsreichen, arbeitsvollen, pflichttreuen Fürsten war der Genius getreten. Mir der sicheren Fühlung seiner fast untrüglichen Menschenkenntnis hatte er ihn erkannt und die rettende Gewalt seines Wesens verstanden. So lange die Deutschen sich der ruhmreichsten Zeiten ihrer neueren Geschichte erinnern werden, so lange tvird der Bund Wilhelms I. und Bismarcks ihnen ein Gegenstand be- wundernder Betrachtung bleiben. Die beiden großen und ivillensstarken Männer hatten vieles mit einander gemeinsam: beide waren im Innersten konservativ, wollten Krone und Armee befestigen, dem preußischen Staate seine gebührende Machtstellung schassen. Aber daneben waren sie doch grundverschieden: Wilhelm I. war soviel älter, milder, gerechter, vorsichtiger, Bismarck soviel jünger, kühner, leidenschaft licher, trotziger; Wilhelm war, so hat man gesagt, das moralische Ge- wissen seines Kanzlers; dieser schreckte rücksichtslos vvr keinem Mittel zurück, er war neben dem Könige die titanisch-revolutionäre Natur: - was Wuuder, daß sie oftmals nur nach heftigem Kampfe miteinander ineinander sich fanden! Und der König war ebenfalls vom stärksten Selbstbewußt ein, er wollte regieren und regierte wirklich; Bismarck konnte vieles, was er wünschte, nicht durchsetzen. Ohne Beispiel in der Geschichte ist die Reinheit vornehmer Seelen- größe, womit Kaiser Wilhelm, der Macht dieses Genius sich beugend, diesem die gebührende und für volles Gelingen notwendige Stelle
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