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1. Lesebuch für die Sonntagschulen der Pfalz - S. 25

1910 - Zweibrücken : Kranzbühler
25- Soldat seiner Fahne untreu wurde; aber last ebenso selten gelang es, einem Fahnenflüchtigen auf die Spur zu kommen. „Ei, so lauf!“ dachte auch jetzt mancher Verfolger bei sich;, „die dreißig Taler möchte ich mir wohl gerne verdienen; aber ebenso gerne spare ich dem armen Teufel das Gassenlaufen.“ So kehrten denn alle Kameraden mit demselben Bescheid zurück: „Herr Hauptmann, der Ausreißer ist entwischt!“ Endlich eilt keuchend noch einer herbei. , Wahrhaftig, er schleppt den Heerflüchtigen hinter sich her und — sollte man’s glauben 1 — es ist sein leiblicher Bruder! Staunen und Unwille malt sich auf den Gesichtern der Kameraden, und als sich der verräterische Bruder seinen Judaslohn auszahlen läßt, treffen ihn verächtliche und wütende Blicke. „Schwer Geld!“ sagte der Hauptmann, als er die dreißig Taler ausgezählt hat, „Ja, schwer Geld!“ wiederholt mit gepreßter Stimme der Empfänger. Auf der Stelle wird an dem Ausreißer die festgesetzte Strafe vollzogen: sechsmaliges Gassenlaufen. Dreimal schon ist er durch die heiße Gasse gerannt und der blutige Schweiß träufelt ihm vom Leibe. Da tritt sein Bruder, der Verräter, hervor. „Herr Haupt- mann,“ sagt er, „halten’s zu Gnaden, wenn der Soldat auch einmal ungefragt ein Wort spricht! Ich bitte untertänigst, daß ich die anderen drei Gassen für meinen Bruder laufen darf!“ „Was fällt dir ein?“ herrscht ihn der Hauptmann an; „packt's dich an deiner Seele, du Schelm, daß du deinen eigenen Bruder eingefangen hast ?“ „Zu Befehl, Herr Hauptmann!“ antwortet der Soldat, „unser Vater klagte uns jüngst in einem Briefe seine bittere Not. Durch Krankheit geriet er in Schulden und ganzer dreißig Taler halber wollen ihn die Gläu- biger von Haus und Hof treiben. Wie sollten wir Brüder dem armen Vater helfen? Lange sannen wir vergeblich hin und her; endlich kam uns ein Ausweg in den Sinn: Zahlt man nicht dem dreißig. Taler aus, der einen Deserteur einbringt? Wohlan, so ehrlos es sein mag, einer muß heerflüchtig werden; der andere muß ihn einsangen und mit dem schmachvoll erworbenen Lohne den armen Vater retten. Doch wer soll schimpflich den Fahneneid brechen? — — Wer soll schmählich den Bruder verraten? — — Wir losten darum. — — Haltens zu Gnaden, Herr Hauptmann, das übrige kann jeder selber erraten.“ Die harten Gesichtszüge des Hauptmanns milderten sich und leise zitterte seine Stimme, als er sagte: „Der Ausreißer muß sechs- mal Gasse laufen, so verlangt’s die Vorschrift. Doch hat ’s damit vorläufig noch keine Eile. Ich will den Fall dem König melden.“'
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