1910 -
Nürnberg
: Korn
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1894
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten, Mädchenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten, Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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E Dieses Sprüchlein empfindet wohl niemand häufiger in seiner
■- ganzen Wahrheit und Bedeutung als der, der zwar säen und
arbeiten, aber die Ernte nicht machen kann, sondern sie hinzu-
nehmen hat, wie Gott sie ihm auf dem Felde gibt. Zum Danke
ßegen Gott und zum Lobe Gottes fordert ihn die ganze Natur,
£. in der er lebt, auf: die goldne Morgensonne, die auf seine Tages-
* arbeit herniederleuchtet, das Loblied der Vögel des Feldes, das
* freudige Gedeihen der Saaten, der funkelnde Sternenhimmel mit
E seiner Pracht, die lachenden Ernten, der ganze Segen des Jahres.
. Wohl dem Manne, der diese leise Sprache der Natur versteht,
f|der seine Hoffnung auf Gott setzt und ihm jeden Tag in seinem
Zherzen dankt für alles, was er an ihm tut! Die Sorgen und
die Unfälle des Lebens, von denen ja kein Mensch ganz verschont
bleibt, werden ihn nicht so leicht niederbeugen und verzagt machen
wie den, dessen Herz Gott entfremdet ist.
Ein frommer, bescheidener Sinn ist mit wenigem zufrieden.
Der Landmann kann ein einfacheres Leben führen als der Städter.
Im Bauernhause ist kein Luxus und im Bauernkleide keine Hof-
fart nötig. Reinlichkeit, Ordnung und einfache Sitte sind der
schönste Schmuck des Bauernhofes. Durch Vornehmtuerei und
unvernünftigen Aufwand aber hat sich schon mancher wohlhabende
Bauer zugrunde gerichtet. Mancher ist auch dadurch arm und
unglücklich geworden, daß der Hochmut über ihn kam über seine
Kräfte groß zu tun, sein Vermögen in kostbares Vieh zu stecken
oder große Güter zu kaufen, die er nicht gehörig zu bauen ver-
mochte, und die seine Hilfsmittel verschlangen.
Zu einem rechten Bauern gehört zweitens Fleiß, ein aus-
dauernder, unermüdlicher Fleiß. Der Bauer muß viele Arbeiten
verrichten, eine hängt an der andern. Von Sonnenaufgang bis
zum Untergang und vom Januar bis zum Christmonat rufen
ihn nötige und nützliche Geschäfte in Haus und Feld, in Stall
und Scheuer, in Wald und Weide und oft weiß er kaum, wo
es am dringendsten ist anzugreifen. Es gehört nicht nur Fleiß
und guter Wille sondern auch Verstand und Überlegung dazu
die Arbeiten gehörig zu ordnen und einzuteilen, daß alles zur
rechten Zeit und in passender Weise getan wird. Im redlichen
Fleiße liegt ein großer Segen und nicht leicht fühlt sich ein
Mensch glücklicher, als wenn er seine Arbeit nach bestem Ver-
mögen getan hat. Die Arbeit gibt nicht nur Gesundheit und
Kraft dem Leibe sondern auch der Seele und bewahrt vor vielen
Abwegen. Überdies ist die Arbeit des Landmannes eine so
mannigfaltige, daß sie schon durch ihre Abwechslung Erholung
und geistige Anregung mancher Art gewährt. Sie hat aber auch
wie das Handwerk einen goldenen Boden. Der Fleiß hilft vor-