1910 -
Nürnberg
: Korn
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1894
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten, Mädchenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten, Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Und woher kamen und kommen noch alle diese Fortschritte?
Wahrscheinlich nicht aus der Unwissenheit, Gedankenlosigkeit und
dem zähen Hangen am alten Brauch, sondern aus dem Nach-
denken,'Überlegen und Berechnen. Zu Großvaters Zeiten mochte
der Bauer sein Auskommen finden ohne viel Rechnens. Die
Landwirtschaft stand im allgemeinen auf einer niedrigen Stufe;
die Güter waren wohlfeil, die Pachtgelder und Zinsen leicht zu
erschwingen, die Taglöhne, die Preise der meisten Lebensbedürf-
nisse niedrig. Das alles ist anders geworden. Die Bodenpreise,
Taglöhne rc. stehen heute zwei- bis dreimal so hoch als früher.
Daraus folgt, daß auch ein viel höherer Nutzen dem Boden ab-
gewonnen werden muß, wenn der Landmann sein Auskommen
finden soll. Um möglichst große und wertvolle Ernten zu er-
zielen, dazu ist viel Nachdenken, Beobachten und Nachrechnen
nötig. So muß der rechte Bauer vor allem seinen Boden nach
Bestandteilen und Zusammensetzung genau kennen um diejenigen
Pflanzungen ermitteln zu können, welche auf demselben am reich-
lichsten gedeihen. Hiernach bestimmt sich auch die Art der Frucht-
folge und deren Bestellung, die Art der Bodenbearbeitung, der
Düngung und der Bodenverbesserung. Jede Gegend hat hierin
ihre besonderen Eigentümlichkeiten, welche gekannt sein müssen.
'Der rechte Bauer weiß, daß das Gedeihen und Empor-
kommen der ganzen Wirtschaft wesentlich darauf beruht, daß
möglichst viel Futter für das Vieh erzeugt wird. Viel Futter
bringt viel Dünger und der Dünger ist die Macht des ganzen
Betriebes. Der gute alte Schlendrian begnügt sich noch immer
mit dem kargen Futter geringer Wiesen, mit mageren Weiden
und der Brache. Der denkende Bauer aber rechnet aus, daß er
auf einem Acker, den er mit Klee, Runkelrüben und Futtermais
bestellt, mehr Heuwert gewinnt als auf einem gleich großen Stück
Wiesboden, und daß er also im Verhältnis mehr Vieh zu er-
halten vermag und mehr Dünger gewinnen und verwenden kann.
Er rechnet, das ist der Prüfstein des verständigen Landwirts.
Ohne Rechnen, Messen und Wägen ist keine genaue Beobachtung,
kein klarer Einblick in den Stand und Gang der eigenen Wirt-
schaft möglich. Fängt er aber an zu rechnen, so wird er auch
bald anfangen sich die Fortschritte der neueren Zeit in der Land-
wirtschaft zunutze zu machen. Rechnet der Bauer aus, daß ihm
ein verbesserter Pflug bei schöner Arbeit so und so viel an Zeit
und an Zugkraft erspart, so wird er bei aller Sparsamkeit finden,
daß die größere Ausgabe gewagt werden darf, weil sie sich bald
wieder einbringt. Er wird finden, daß die Kosten für verbesserte
Dungstätten, für Ankauf von Gips und Knochenmehl, für
Drainierung der Felder, für Vertiefung der Ackerkrume, für