1883 -
Regensburg
: Pustet
- Autor: Schätz, Joseph
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
404
sich mit seinen Verbündeten, und als Varus durch wilde, morastige
Gegenden und Sümpfe mitten in den Teutoburger Wald gekom-
men war, stürzten die Deutschen von allen Seiten auf ihn los
und Hermann griff ihn im Rücken an. Vergebens suchte er
sein zerstreutes Heer zu sammeln, und umsonst ließ er seine über-
flüssigen Packwagen verbrennen. Weder das Fußvolk noch die
Reiterei fand in dieser Wildnis Raum, um die römische Kriegs-
kunst zu bewähren. Zwei Tage und zwei Nächte lang,
unter fortwährenden Stürmen und ununterbrochenem Regen,
dauerte der schreckliche Kampf und endete mit der vollkommen-
sten Niederlage der Römer, von denen nur wenige den deut-
schen Schwertern entrannen, um die Schreckensbotschaft nach
Rom zu bringen. Varus, selbst verwundet, stürzte sich in sein
eigenes Schwert, um dem Feinde nicht lebendig in die Hände
zu fallen. Die gefangenen Feinde aber wurden teils den Göt-
tern geopfert, teils als Sklaven verkauft.
In Rom verbreitete die Nachricht von dieser Niederlage Angst
und Schrecken, und selbst der Kaiser war darüber so bestürzt,
daß er gleich einem Wahnsinnigen den Kopf an die Wand stieß,
seine Kleider zerriß und mehrmals verzweifelnd ausrief: „Varus,
Varus, gib mir meine Legionen wieder!" Zum Zeichen
der äußersten Bekümmernis ließ er sich mehrere Monate lang
Haupthaar und Bart wachsen, und das sonst so stolze Rom teilte
den Kummer seines Herrschers, denn es glaubte schon die ge-
fürchteten Deutschen vor seinen Thoren; doch diese zerstörten nur
die fremden Burgen bis an den Rhein und legten die Hände
alsdann in den Schoß wie vorher.
Das ist die berühmte Hermannsschlacht im Teutoburger-
walde im Jahre 9 nach Christi Geburt. Wem deutsches Blut
in den Adern rinnt, dem schlägt das Herz höher bei dieser Ge-
schichte. Ohne Hermanns Mut und Hingebung hätten wir fremde
Sitten, fremde Sprache, und der Name „Deutschland" wäre viel-
leicht aus dem Bunde europäischer Länder gestrichen. — Aber
hört das schmähliche Ende, welches die Zerrissenheit Deutsch-
lands, der Neid und die Mißgunst seiner Fürsten dem Helden
Hermann bereiteten. In den Jahren der schönsten Manneskraft,
mit dem ewigen Lorbeer des Ruhmes um seine Schläfe, konn-
ten ihn seine eigenen Verwandten, seine Bundesgenossen und
Freunde, weil sie seine Überlegenheit und seine Macht fürcht
teten, mit meuchelmörderischer Hand niederstoßen. Die unglück-
liche Thusnelde war schon früher durch den Verrat ihres eige-
nen Vaters in die Hände der Römer gefallen, und thränenlos,