1813 -
Leipzig
: Hinrichs
- Autor: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 5 – Tertiärbereich
Frankreich. 55
daß er zwei Briefe erhalten habe, einen von Ludwigs Ver-
theidigern, die sogleich vorgelassen und angehört zu werden
verlangten; den andern von dem Minister der auswärtigen
Angelegenheiten, in welchem er eine Note des spanischen
Gesandten mittheilte, worin dieser die Verwendung seines
Hofes zu Ludwigs Rettung und zur Herstellung des Frie-
dens zwischen Frankreich und den kriegführenden Machten
anbot. Der Convent beschloß aber, daß die Vertheidiger
Ludwigs erst nach der Zahlung der Stimmen vorgelassen
und die Mittheilungen des spanischen Gesandten uneröffnet
bleiben sollten, weil selbst die Muthmaßung, als ob die
Einmischung fremder Machte irgend einen Einfluß auf
die Entscheidungen des Convents haben könnte, unter der
Würde desselben wäre.
Bei der stürmische Zählung der Stimmen fand es sich,
daß 24 Mitglieder dks Convents theils wegen Krankheit,
theils wegen Versa, icknng in öffentlichen Angelegenheiten,
theils auch — dies waren vier Individuen gewesen — we-
gen bestimmter Weigerung nicht gestimmt hatten, und die
Zahl der Stimmenden sich auf 721 belief. Von diesen
hakten 366 unbedingt für den Tod, 319 für Emsperrung
bis zum Frieden^ die übrigen für den Tod unter gewissen
Bedingungen gestimmt. Das Todes urtheil ward also
ausgesprochen, Ludwigs Appellation an die Nation, welche
seine Vertheidiger überbrachten, verworfen, die Zahlung
der Stimmen am folgenden Tage noch einmal rovidirt (wo
man eine künstliche Mehrheit von 26 Stimmen für das To-
desurtheil herausbrachte), und Ludwig 16 am 21 Januar
im Z9sten Lebensjahre, im Angesichte seines ehemaligen Pal-
lastes, guillotinirt. Sein Leichnam ward auf dem
Magdalenenkirchhofe beerdigt, und in sein Grab Kalk ge-
worfen, um die Verwesung zu beschleunigen. Auf die
Nachricht von dieser blutigen That erklärte sich der Graf
von Provence zum Regenten von Frankreich wäh-
rend der Minderjährigkeit des Dauphins.
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