1813 -
Leipzig
: Hinrichs
- Autor: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 5 – Tertiärbereich
244 Vierte Periode.
tochter Serena zur Gemahlin gab, und ihm die Leitung
seiner Söhne und die Kriegsmacht des Reiches anvertraute.
Nach dem Tode des Theodosius ward er allein von den
Barbaren gefürchtet, und das römische Reich pries eine
Uneigennützigkeit an ihm, die jetzt in Rom vergeblich gesucht
wurde. Sogar etwas mehr Freiheit gedieh unter ihm,
als bisher hatte gedeihen können, und zuweilen schien es,
daß ein zweiter Tr ajan Rom beschützte.
Sein Nebenbuhler hingegen, der Gascogner Rufin.
war durch Schmeichelei, Hinterlist und Verstellungskunst in
Hofdiensten von unten auf empor gestiegen, hatte seine Hab-
sucht befriedigt, die edelsten Menschen entfernt, und sich den
Haß des Volkes zugezogen. Als Mitregent über die min-
derjährigen Prinze verlangte er vom Stil ico die Hälfte
der Regentengewalt. Dieser theilte genau den Nachlaß des
Theodosius an Ländern, an Kostbarkeiten und an Solda-
ten. Stilico selbst wollte die Truppen des Orients dem
Arcadius zuführen, erhielt aber von Rufin den Be-
fehl, nicht weiter vorzurücken. Er gehorchte, und überließ
es dem Gothen Gainas, statt seiner den Rufin zu stra-
fen. Im Angesichte der Hauptstadt und des Arcadius
wurde Nu fin bei der Ankunft des Heeres sogleich nieder-
gestoßen; allein Stilicos Absicht, das ganze Reich als
Administrator zu leiten, scheiterte, denn die Kaiserin Eudo-
xia und der Verschnittene Eutropius beherrschten den
schwachen Kaiser. Stilico wurde als Feind des byzanti-
nischen Reiches betrachtet; die Eifersucht zwischen beiden
Rnchen erhielt immer mehr Nahrung, und die Byzantiner
leiteten die Aufmerksamkeit der Barbaren auf den Westen,
um durch die Züge derselben nach Italien theils selbst ver-
schont zu bleiben, theils ihre verjährte Abneigung gegen den
Occident durch die Verheerungen desselben befriedigt zu se-
hen. Dazu kam, daß jetzt ein Mann wie Alarich an der
Spitze der Westgothen stand, der in sich gothische Tapfer-
keit mit Kenntniß der römischen Schwäche vereinte, weil
er bereits unter dem Theodosius gedient hatte. Die
fruchtlosen Versuche gegen Konstantinopel, und die Armuth