1. Bd. 2
- S. 214
1824 -
Frankfurt a. M. Leipzig
: Hinrichs
- Autor: Karl Heinrich Ludwig, Pölitz
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 5 – Tertiärbereich
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Sechster Zeitraum.
worden wäre. Der Papst könne Regenten richten und ab-
setzen, Lander vergeben und verschenken, und die Untertha-
nen von ihren Pflichten gegen die Regenten entbinden. Der
Bann strahl, bei dem religiösen Aberglauben jener Zeit
eine furchtbare Erscheinung, ward auf jeden Weltlichen und
selbst auf den Kaiser geschleudert, der sich anmaßen würde,
die Investitur eines Geistlichen auszuüben, und auf jeden
Geistlichen, der irgend ein Amt aus den Handen eines Laien
annähme. — Diese Grundsätze, welche Hilde brand in
ihrer völligen Bestimmtheit aufstellte, waren allerdings durch
die, bereits im neunte n Jahrhunderte unter Ludwigs des
Frommen Regierung verbreitete, Sammlung falscher
Decretalen der römischen Bisch öffe aus den ersten
vier Jahrhunderten vorbereitet worden. Der unbekannte
Sammler derselben, wahrscheinlich Benedictus Levita
in Mainz, nachher Isidorus Mercator genannt,
hatte wohl die Absicht, für den berühmten Bischoff Isi-
dor von Sevilla zu gelten, der 636 starb und diese
Sammlung in Spanien gemacht haben sollte. (Der Samm-
ler hatte sich aus Demuth peccator genannt, woraus die
unwissenden Abschreiber jener Zeit mercator machten.)
Daß aber diese Sammlung eine spätere Arbeit war,
erhellet theils daraus, daß die frühere päpstliche Decreta-
lcnsammlung, welche Dionysius eriguus (636) zu-
sammenstellte und Papst Hadrian Karl dem Großen (774)
schenkte, nicht weiter zurück, als bis z-um Papst Siricius
reichte, der ums Jahr 386 lebte, indem Dionysius in den
römischen Archiven keine ältern Decrete der Päpste auffinden
konnte; theils aus der Gleichmäßigkeit und Verwandt-
schaft des Styls, der'in diesen untergeschobenen Decreta-
len herrscht, die doch aus sehr verschiedenen Zeitaltern seyn
sollten; theils aus der Sprache selbst, die derjenigen ähnlich
ist, welche sich in den Capitularien der fränkischen Könige fin-
det; und aus den Grundsätzen über den Primat, aus der
angeblichen Berufung der ältesten römischen Vischöffe auf
die Aussprüche der Kirchenväter u. s. w., die darin vor-
kommen. Könnte man nun auch annehmen, daß der Samm-
ler bei seiner Arbeit keine Täuschung und keinen Betrug