1. Bd. 4
- S. 531
1824 -
Leipzig Frankfurt a. M.
: Hinrichs
- Autor: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 5 – Tertiärbereich
Italien.
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ohne daß wahrend seiner Regierungszeit Neapel eine neue
Verfassung im Geiste des von Frankreich ausgegange-
nen repräsentativen Systems erhalten hatte. Bevor aber
Napoleon seinen Schwager, den damaligen Großherzog von
Berg, Joachim Murat, an Josephs Stelle ernannte,
gab noch Joseph, wahrend seines Aufenthalts in Bayonne
bei dem Kaiser, dem Königreiche Neapel am 20 Juny 1808
eine neue Verfassung *), welche auch Napoleon zu
Bayonne bestätigte. Die wesentlichsten Bestimmungen die-
ser, von Murat nicht befolgten, Verfassung waren: die
römisch-katholisch-apostolische Religion ist die Religion des
Staates. — Die Krone von Neapel ist in der geraden und
gesetzmäßigen männlichen Linie nach dem Rechte der Erst-
geburt erblich. — Der König ist minderjährig bis zum er-
reichten achtzehnten Jahre. Die Regentschaft gehört,
während der Minderjährigkeit des Königs, der Königin,
und in deren Ermangelung demjenigen Prinzen der könig-
lichen Familie, welchen der Kaiser, als Oberhaupt der kai-
serlichen Familie, dazu ernennen wird. — Der erstgebohrne
Sohn des Königs erhält den Titel Kronprinz. Die Mit-
glieder der königlichen Familie sind persönlich den Statuten
der kaiserlichen Familie unterworfen. Die Krvneinkünfte be-
stehen aus dem Ertrage der königlichen Domainen, und aus
einer jährlichen Summe von 1 Mill. 32,000 Du ca ten, welche
monatlich aus dem öffentlichen Schatze in den königlichen
Schatz bezahlt werden. Das Witthum der Königin beträgt
'jährlich 120,000 Ducaten.— Es bestehen 7 Ministerien
(der Justiz, des Kultus, des Innern, der auswärtigen An-
gelegenheiten, der Finanzen, der Polizei, des Krieges und
der Marine), und ein Staakssecretär mit Ministerrang.
Die Minister sind verantwortlich. Der Staats rath
besteht aus 26 und höchstens 36 Mitgliedern, getheilt in
4 Sectionen. Das Nationalparlament enthält ioo
Mitglieder, und ist in fünf Bänke (der Geistlichkeit,
des Adels, der Grundbesitzer, der Gelehrten, der
Kaufleute) getheilt, jede Bank von 20 Individuen.
*) Sie steht in den Europ. Constit Ut. Th. Z, S. 535 ff