1. Bd. 3
- S. 194
1824 -
Frankfurt a. M. Leipzig
: Hinrichs
- Autor: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 5 – Tertiärbereich
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Siebenter Zeitraum.
gen im europäischen Staatensvsteme. Wichtiger war für
ihre innere Verfassung der Einfluß der Kirchenver-
besserung, die (seit 1519) Zwingli in Zürich, Oeco-
la m p ad i u S in Bafel, und Calvin in Genf leiteten,
und die erst nach laugen und blutigen Kämpfen in Helve-
tien feste Wurzel faßte. Zürich, Bafel, Bern, S ch a f-
haufen, und die Städte Biel, Mühlhausen und St. Gal-
len neigten sich hin zum verbesserten Lehrbegriffe; Glarus,
Appenzell und B ü n d t e n theilten sich; F r e y b n r g,
Uri, Schwitz, Unterwalden, Solothurn, L u -
eern, Zug und das Walliser land blieben katholisch.
— Die Berner entrissen dem Herzoge von Savoyen das
Waadtland (pays de Vaud), und Genf ward frei.—
Eine weife Neutralität in dem verheerenden dreißigjährigen
Kriege verschaffte den Eidgenossen (1618) im westphali-
sch e n Fr i e d e n die Anerkennung ihrer freien Verfassung und
ihrer Unabhängigkeit von Teutschland.
In den unruhigen Zeiten Ludwigs 14 behaupteten die
Schweizer ihre Neutralität, die auch von keiner der krieg-
führenden Mächte beeinträchtigt ward; nur in ihrem Innern
selbst wogten bisweilen religiöse Stürme auf, die nicht
selten blutige Folgen hatten. Die Sitte, 30 — 40,000
Eingebohrne in fremden Sold zu geben, blieb bis auf die
neuesten Zeiten.
Im Jahre 1777 (25 Aug.) schlossen die Eidgenossen
und die mit verbundenen Stande ein allgemeines und
ewiges B ü n d n i ß m i t F ra u kr e i ch. — So nahte der
Zeitpunct der Revolution in Frankreich, bei deren Ausbruche
die Schweizer ihre Neutralität beizubehalten wünschten, ob-
gleich sich (Sept. 1792) bereits in Genf das traurige Vor-
spiel der bevorstehenden Ereignisse zeigte. Demungeachtet
war die Schweiz der einzige europäische Staat, der auö
dem Sturme der Revolution mit der Beibehaltung seiner
republikanifchen Verfassung heraustrat, obgleich die
Form derselben theils in der Mediationsacte, theils unter
den Einflüssen der Wiener Congreßmachte wesentlich verän-
dert ward.