1. Bd. 1
- S. 63
1824 -
Leipzig Frankfurt a. M.
: Hinrichs
- Autor: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 5 – Tertiärbereich
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Religio» der Indier.
Hindostan bestand, wenn gleich nicht bewiesen werden dürfte,
(wie es Ozeray in s. recherches sur Buddoii, ou
Bouddou, instituteur religieux de l’Asie orientale^ v
Paris, 1817. 8. versucht hat,) daß Bnddha zu Ceylon,
und zwar 1029 Jahre vor Christus gebohren worden sey,
daß seine Lehre auf Ceylon und in Indien jenseits des
Ganges in ursprünglicher Reinheit (oder Orthodoxie) sich
erhalten habe, daß aber diesseits des Ganges in Indien
aus dem Buddha der Wischnu gemacht worden sey, mit
welchem er dieselbe mythische Person bilde. Denn noch ist
nicht ausgemittelt,wie der mythische Buddha zum Wischnu
sich verhalt, oder wie ursprünglich der Buddhaismus
mit dem Brahmaismus zusammenhangt. Doch kann zuge-
standen werden *), daß der als göttliches Wesen verehrte
Buddha zum Theile eine geschichtliche Person sey, ob-
gleich bei seiner Schilderung viele Erzählungen von den
Verwandlungen und Menschwerdungen des Wischnu aus der
indischen Mythologie benutzt worden seyn mögen, so daß
mythische Dichtungen mit der alten Geschichte des Landes
zu Einem Ganzen verschmolzen. Denn es scheint, daß der
Buddhaismus dadurch aus dem Brahmaismus hervorging,
daß ein kühner Reformator als den in Menschengestalt
wieder erschienenen Wischnu sich geltend zu machen wußte,
dessen Gottheit langst anerkannt war. Weil aber die neue
Lehre mit der Herrschaft der Brahminenkaste nicht vereinigt
werden konnte; so laßt sich daraus der Haß der Brahmi-
nen gegen dieselbe erklären. Wo auch Buddha gebohren
ward; seine Lehre ist höchstwahrscheinlich vom Festlande von
Hindostan ausgegangen, hat sich aus ältern Mythen vom
Wischnu entwickelt, nicht aber diese Mythen erst veranlaßt,
und hat sich von da jenseits des Ganges und auf mehrern
indischen Inseln, besonders auf Ceylon und Java, festge-
setzt. Schwerer dürfte zu entscheiden seyn, warum der
Buddhaismus auf Ceylon und Java dem Brahmaismuö im
Ganzen am ähnlichsten blieb, wogegen er sich in Thibet zu
*) Vgl. Gotting. Anz. 1819/ N. 9. in der Anzeige det Schrift von
Ozeray.