1. Bd. 1
- S. 104
1824 -
Leipzig Frankfurt a. M.
: Hinrichs
- Autor: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 5 – Tertiärbereich
*o4 Erster Zeitraum.
und di' der Bequetrrlichkeit seiner mitgebrachten Horde
dienten.
Solche erobernde Horden lassen aber gewöhnlich die
-Verfassung und Einrichtung des eroberten Reiches in der
bisherigen Gestalt. Nur die regierende Familie trifft der
zerstörende Schlag; nur an die Spitze der bisherigen Kasten,
oder Volkesstamme, drangt sich die Neuangekommene, siegende
und rohe Horde, die, von allen Abgaben frei, zugleich der
stehende Soldatenstamm des Eroberers bleibt. Dagegen
stießen die Tribute und Abgaben der Besiegten in die Kasse
des Eroberers, der sie mit seiner Horde theilt; das Uebrige,
was zur Verfassung des Landes gehört, Sitten, innere Ein-
theilung, Beschäftigungen, Künste und Religion, gehen ge-
wöhnlich von den Besiegten auf die Sieger über. Diefe
verweichlichen ebenfalls bald nach der ersten gelungenen
Eroberung; besonders wenn ihre folgenden Könige weder
Neigung, noch Fähigkeit zu kriegerischen Unternehmungen
behalten. ■— So beugt sich denn, nach einer kurzen Zeit
ihrer Herrschaft, das Ganze wieder unter die Macht eines
neuen, mit jugendlicher Kraft vordringenden, Völkerstammes,
der dasselbe einförmige Spiel der Eroberung, nur unter ei-
nem neuen Völkernamen, wiederhohlt.
Das Schicksal dieses Erdstrichs selbst, so oft von
andern Völkern unterjocht zu werden, war ohne Zweifel
durch das Zusammentreffen mannigfaltiger Ursachen bestimmt.
Am meisten trug die Lage des Landes dazu bei, das
mehrentheils eine fruchtbare, von der Natur reich ausge-
stattete und gesegnete, Ebene war, die aber im Norden und
Osten an gebirgige Lander grenzte, wo Klima und Lebens-
art, Unfruchtbarkeit des Bodens und Veranlassungen zur
Jagd, abgehärtete rohe Völker entstehen ließen, die sich auf
die lockende Ebene mit leichter Mühe stürzen konnten. Daß
aber die den Eroberern an Zahl ungleich überlegenen Be-
wohner der Ebene so wenig Widerstand leisteten, lag theils
in ihrer Verweichlichung; theils in dem Mangel eines schnell
zusammen zu ziehenden Soldatenstammes; theils in der Ge-
schwindigkeit, mit welcher die Eroberung, gleichsam mit
Einem Schlage, vollbracht ward.