1821 -
Stuttgart
: Steinkopf
- Autor: Ewald, Johann Ludwig
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
Klughei t. 247
Schreib'kabinete zurückgelassen zu haben. Er schickte so-
gleich einen Secretär mit den Schlüsseln dahin ab, um
sich dieselben holen zu lassen. Der Secretär kam be-
stürzt, und vor Eile fast ausser Athem, mit der Anzeige
Zurück: „Euer Majestät! weder in Schdnbrunn noch im
Augarten habe ich Schriften gefunden." — ,,So werden
sie wohl in Larenburg liegen" — antwortete der Kaiser —
,/gehen Sie also eiligst dahin, und bringen Sie mir die
Schriften sobald wie möglich, ich werde mich nicht eher
schlafen legen, als bis ich sie erhalten habe, und wenn
ich auch die ganze Nacht hindurch wachen müßte." Der
decretar eilte mir dem Schlüssel nach Larenburg, und
wollte ohne weiteres in des Monarchen Kñbinet cintre»
ten. — Allein der Wache haltende Hauptmann hielt ihn
an. und sagte: Nein, mein Herr, ich habe allen Re-
spect für Sie, aber da hinein lassen darf ich Sie nicht,
wenn Sie mir die Ordre nicht schriftlich von dem Mo-
narchen selbst ausweisen können." — Das konnte nun
der Secretär freylich nicht. — Inzwischen stellte er dem
Hauptmanne dringend vor: „daß Se. Majestät auf die
darin abzuholenden Schriften warteten, und ohne diesel-
den morgen frühe nicht arbeiten könnten." Hierauf rief
der Hauptmann vier Mann in's Gewehr, öffnete das
Iiwmer. und als er die Schriften gefunden hatte, steckte
kr sie zu sich, und begleitete den Secretär, wohl bewacht,
rum Kauer nach Wien. Der Monarch wunderte sich
uicht wenig, seinen Secretär in einer solchen Begleitung
zurückkommen zu sehen. Der Hauptmann entschuldigte
sich mit der Aeusserung: daß er, ohne schriftliche Ordre
von Sr. Majestät, in das Verlangen des Secretärs zu
willigen, gerechtes Bedenken getragen habe. „Nun"
sagte der Kaiser — „das ist recht; es ist wahr, ich
hatte vergessen, dem Secretär die nöthige Ordre mitzu-
geben. Sie haben klug gehandelt, und hier nehmen Sie
bo Ducaten als einen Beweis meiner Zufriedenheit mit
3hrem Betragen!"