1821 -
Stuttgart
: Steinkopf
- Autor: Ewald, Johann Ludwig
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
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Gu tmüthige Krieger.
eln Baschkire, der mit ihnen auf der Flucht war, ln's
Dorf, wahrscheinlich um einige Lebensmittel zu bekommen.
Kaum bemerkte er, daß sich seine Kameraden mit den
Chasseurs herumschlugen, so wandte er schnell seinen Ren-
ner, um zu seinen Kameraden zu eilen, und Theil an
dem Gefechte zu nehmen; aber in dem Augenblicke er-
blickte er in dem Fenster eines brennenden Hauses ein
Mädchen mit einem Kinde auf dem Arme jämmerlich um
Hülfe rufen. Rasch hielt er sein Pferd an, sprang ab,
steckte seine Lanze durch den Zügel in den Boden, und
eilte durch die brennende Hausthüre in die mit Rauch und
Dampf angefüllte brennende Stube, ergriff das Mäd-
chen mit dem Kinde, und brachte beyde glücklich und un-
beschädigt auf die Straße. Die Franzosen hatten sich mir
terdessen vermehrt, und die Russen mußten weichen. Der
Baschkire hatte das Mädchen auf sein Pferd gesetzt, und
mit dem Kinde sich hinter ihr hinaufgeschwungen, und
als die Chasseurs ihm auf den Hals kamen, ritt er eilig
mit seiner Beute davon. Hinter dem Dorfe her hatten
sich die nachsetzenden Chasseurs und Husaren an der nicht
weit davon fließenden Aller gesetzt, um den Flüchtlingen
die Passage durch den Fluß zu verwehren. Ein Husar
kam auf den Baschkiren losgcsprengt, um ihm seine Beute
abzunehmen; der Baschkire warf ihm seine Lanze in die
Brust, stürzte mit seinem Pferde in die Aller, schwamm
durch, und eilte nach einem nicht sehr entfernten vor ihm
liegenden Dorfe. Arm Eingänge desselben sprang er vor
einem Hause ab, trug das vom Schrecken noch betäubte
Mädchen mit dem Kinde in's Haus, schüttete seine ganze
Baarschaft ihr in den Schooß, und gab der herbeyeilen-
den Bauersfrau durch Geberden zu verstehen, daß sie dem
weinenden Kinde etwas zu essen geben, und für beyde
Sorge tragen solle. Er küßte das Kind, schwang sich
wieder auf sein Pferd, und sprengte zurück. Der edle
Mensch hieß Charmi-kigi.
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