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1. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 62

1882 - Kiel : Homann
62 I. Lebensbilder. 3. Dein Vater ward geboren hier, In der gebräunten Stube, Die ersten Blicke gab er mir; Der munt're, kräft'ge Bube, Er schaute auf die Engelein, Die gaukeln in der Fenster Schein, Dann erst auf seine Mutter. 4. Und als er traurig schlich am Stab, Nach manchen schönen Jahren, Da hat er schon, wie still ein Grab,' In meinem Schoß erfahren; In jener Ecke saß er da, Und stumm und händefaltend sah Er sehnlich auf zum Himmel. 5. Du selbst — doch nein, das sag' ich nicht, Ich will von dir nicht sprechen, Hat dieses Alles kein Gewicht, So laß nur immer brechen. Das Glück zog mit dem Ahnherrn ein, Zerstöre du den Tempel sein, Damit es endlich weiche. 6. Noch lange Jahre kann ich steh'n, Bin fest genug gegründet, Und ob sich mit der Stürme Wehn Ein Wolkenbruch verbündet; Kühn rag' ich, wie ein Fels, empor, Und was ich auch an Schmuck verlor, Gewann ich's nicht an Würde? 7. Und hab' ich denn nicht manchen Saal Und manch' geräumig Zimmer? Und glänzt nicht festlich mein Portal In alter Pracht noch immer? Noch jedem hat's in mir behagt, Kein Glücklicher hat sich beklagt, Ich sei zu klein gewesen. 8. Und wenn es einst zum Letzten geht, Und wenn das warme Leben In deinen Adern stille steht, Wird dies dich nicht erheben, Dort, wo dein Vater sterbend lag, Wo deiner Mutter Auge brach, Den letzten Kampf zu streiten?" 9. Nun schweigt es still, das alte Haus, Mir aber ist's, als schritten Die toten Väter all' heraus, Um für ihr Haus zu bitten, Und auch in meiner eignen Brust, Wie ruft so manche Kinderlust: Laß steh'n das Haus, laß stehen! 10. Indessen ist der Mauermann Schon ins Gebälk gestiegen, Er fängt mit Macht zu brechen an, Und Stein und Ziegel fliegen. Süll, lieber Meister, geh' von hier, Gern zahle ich den Taglohn dir, Allein das Haus bleibt stehen. Friedrich Hebbel. 41. Cato, ein altrömisches Charakterbild. Wie nach der Vorstellung der achtbaren Bürgerschaft das römische Privatleben beschaffen fein sollte, läßt sich im wesentlichen abnehmen aus dem Bilde, das uns von dem des älteren Cato überliefert worden ist. Wie thätig Cato als Staatsmann, Sachwalter, Schriftsteller und Spekulant auch war, so war und blieb das Familienleben der Mittelpunkt seiner Existenz: — besser ein guter Ehemann sein, meinte er, als ein großer Senator. Die häusliche Zucht war streng. Die Dienerschaft durfte nicht ohne Befehl das Haus verlassen, noch über die häuslichen Vorgänge mit Fremden schwatzen. Schwere Strafen wurden nicht mutwillig aufgelegt, sondern nach einer gleichsam gerichtlichen Verhandlung zuerkannt und voll- zogen; wie scharf es dabei herging, kann man daraus abnehmen, daß einer seiner Sklaven wegen eines ohne Auftrag von ihm abgeschlossenen und dem Herrn zu Ohren gekommenen Kaufhandels sich erhängte. Wegen leichterer Vergehen, z. B. bei Beschickung der Tafel vorgekommener ^Ver- sehen, pflegte der Konsular dem Fehlbaren die verwirkten Hiebe nach Tische eigenhändig mit dem Riemen aufzuzählen. Nicht minder hielt er Frau und Kinder in Zucht, aber in anderer Art; denn an die erwachsenen Kinder und an die Frau Hand anzulegen wie an die Sklaven, hielt er
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