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1. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 75

1882 - Kiel : Homann
I. Lebensbilder. 75 „Möge doch Hermann sie treffen und sie erquicken und kleiden. Ungern würd' ich sie sehn; mich schmerzt der Anblick der Jammers. Schon von dem ersten Bericht so großer Leiden,, gerühret, Schickten wir eilend ein Scherflein von unserm Überfluß, daß nur Einige würden gestärkt, und schienen uns selber beruhigt. Aber laßt uns nicht mehr die traurigen Bilder erneuern; Denn es beschleichet die Furcht gar bald die„Herzen der Menschen, Und die Sorge, die mehr als selbst mir das Übel verhaßt ist. Tretet herein in den hinteren Raum, das kiihlere Sälchen. Nie scheint Sonne dahin, nie dringet wärmere Luft dort Durch die stärkeren Mauern; und Mütterchen bringt uns ein Gläschen Dreiundachtziger her, damit wir die Grillen vertreiben. Hier ist nicht freundlich zu trinken; die Fliegen umsummen die Gläser." Und sie gingen dahin und freuten sich alle der Kühlung. Sorgsam brachte die Mutter des klaren herrlichen Weines, In geschliffener Flasche auf blankein zinnernem Ruitde, Mit den grünlichen Römern, den ächten Bechern des Rheinweins. — Und so sitzend umgaben die Drei den glänzend gebohnten, Runden, braunen Tisch, er stand auf mächtigen Füßen. Heiter klangen sogleich die Gläser des Wirtes und Pfarrers; Doch unbeweglich hielt der Dritte denkend das seine, Und es fordert' ihn auf der Wirt, mit freundlichen Worten: „Frisch, Herr Nachbar, getrunken! denn noch bewahrte vor Unglück Gott uns gnädig und wird auch künftig uns also bewahren. Denn wer erkennet es nicht, daß seit dem schrecklichen Brande, Da er so hart uns gestraft, er uns nun beständig erfreut hat Und beständig beschützt, so wie der Mensch sich des Auges Köstlichen Apfel bewahrt, der vor allen Gliedern ihm lieb ist. Sollt' er fernerhin nicht uns schützen und Hülfe bereiten? Denn man sieht es erst recht, wie viel er vermag, in Gefahren. Sollt' er die blühende Stadt, die er erst durch fleißige Bürger Neu aus der Asche gebaut und dann sie reichlich gesegnet, Jetzo wieder zerstören und alle Bemühung vernichten?" Heiter sagte darauf der treffliche Pfarrer und milde: „Haltet am Glauben fest, und fest an dieser Gesinnung: Denn sie macht im Glücke verständig und sicher, im Unglück Reicht sie den schönsten Trost und belebt die herrlichste Hoffnung." Da versetzte der Wirt, mit männlichen klugen Gedanken: „Wie begrüßt' ich so oft mit Staunen die Fluten des Rheinstroins, Wenn ich, reisend nach meinem Geschäft, ihm wieder mich nahte! Immer schien er mir groß und erhob mir Sinn und Gemüte; Aber ich konnte nicht denken, daß bald sein liebliches Ufer Sollte werden ein Wall, um abzuwehren den Franken, Und sein verbreitetes Bett ein allverhindernder Graben. Seht, so schützt die Natur, so schützen die wackeren Deutschen Und so schützt uns der^Herr; wer wollle thöricht verzagen? Müde schon sind die Streiter, und alles deutet auf Frieden. Möge doch auch, wenn das Fest, das lang erwünschte, gefeiert Wird in unserer Kirche, die Glocke dann tönt zu der Orgel, Und die Trompete schmettert, das hohe Te Deum begleitend, — Möge mein Hermann doch auch an diesem Tage, Herr Pfarrer, Mit der Braut, entschlossen, vor Euch am Altare sich stellen, Und das glückliche Fest, in allen den Landen begangen, Auch mir künftig erscheinen, der häuslichen Freuden ein Jahrstag! Aber ungern seh' ich den Jüngling, der immer so thätig Mir in dem Hause sich regt, nach außen langsam und schüchtern. Wenig findet er Lust, sich unter Leuten zu zeigen;
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