1882 -
Kiel
: Homann
- Autor: Ahrens, I. F.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
euuge Töpfe sowie Milch erhielten, nachdem ich vorher den Kindern, die nackt
herumliefen, mehrere bunte Glaskorallen ausgeteilt hatte, um das Zutrauen der
Einwohner zu erwerben. Dann schifften wir auf das linke Ufer, wo ich em kleines
Monument untersuchte, welches allen Reichtum und alle Zierlichkeit zeigt, deren der
Ernst der ägyptischen Architektur fähig ist. Um ein verborgenes Gemach untersuchen
zu können, war ich genötigt, mehrere Steine der oberen Decke abheben zu lassen.
Meine Araber, welche diese Arbeit verrichteten, frohlockten schon über den Schatz, den
sie nun zu heben hofften, denn sie sind fest überzeugt, daß wir Europäer nur in der
Absicht, j Reichtümer zu suchen, eine so weite Reise unternehmen. Als sie aber in
demselben nur Staub und Sand fanden, der durch die Spalten der Decke hinein
gedrungen war, sahen sie mich mit großen Augen au und ein Gemisch von Furcht-
samkeit und Ehrfurcht sprach sich in ihren Blicken aus, als hielten sie mich für
einen Zauberer, der ihnen den Schatz unsichtbarer Weise entwendet hätte. —
Fünf Tage nach unserer Abfahrt von den Katarakten gelangten wir nach
Girscheh und dann nach den Ruinen Effabua. Diesen gegenüber ist der Ort,
wo die Karawanen aus dem östlichen Teile an den Nil gelangen und Straußfedern,
Elfenbein, arabisches Gummi und Sklaven dem ägyptischen Handel zuführen. Eine
Tagereise weiter, macht der Fluß eine starke Krümmung, so daß der Nordwind der
uns bisher hinauf getrieben hatte, uns fast entgegen war und wir nur mit Mühe
weiter konnten. Während die Schiffsleute unser Fahrzeug den Fluß hinaufzogen,
besuchte ich die Felder und einzeln stehende Wohnungen längs dem Ufer. Es waren
größtenteils Hütten, aus Strohmatten zusammengesetzt, mit denen die Bewohner
sich auf das entgegengesetzte Ufer flüchten, sobald sich ihnen Feinde aus dem Innern
des Landes nahen.
Die meisten Wohnungen Nubiens sind aus Lehm oder Nilschlamm gebaut und
mit Baumstämmen und Palmenzweigen bedeckt, oft aber nur so hoch, daß man
kaum darin aufrecht stehen kann. Die Familie wohnt in demselben niit Kühen und
Schafen zusammen. Unverkennilich ist au denselben die ägyptische Form „und es ist
wahrscheinlich, daß mit Ausnahme einer sorgfältigeren Konstruktion das Äußere der
modernen Privatwohnungen dem der antiken völlig gleich komme. Auffallend ist, daß
die Nubier nie das Innere der Tempel und Ruinen zu ihren Wohnorten be-
nutzen. —
Während ich mein Fahrzeug erwartete, zeichnete ich die Ruinen von Amadon,
ans dem linken Nilufer. Bis zur Hälfte im Sande vergraben ragt der obere Teil
derselben malerisch aus der nackten Fläche hervor; öde ist alles umher, kein Baum,
kein Strauch belebt die Gegend, nur in der Ferne zeigen sich kleine Gebirge. Die ein-
fachen Formen und Verhältnisse des Gebäudes wirkten wohlthäüg auf das Auge.
Sowie seine Haupteinteilungen in Vorhalle und Cella seine ursprünglichen Leistungen
leicht erraten läßt, so deutet eine aus der Mitte sich erhebende Kuppel aus den
späteren Zweck und dessen Umwandlung ans einem heidnischen in einen christlichen
Tempel. — In der mittleren Kammer sieht man heidnische und christliche Ab-
bildungen vermischt. Ein Bewurf von Erde, worauf die Gegenstände christlicher Ver-
ehrung gemalt sind, bedeckt die heidnischen Bilder und diese sind nur da sichtbar, wo
der Bewurf zerstört oder abgefallen ist.
Am folgenden Tage erreichten wir Derri, Hauptstadt der Provinz und Sitz
eines türkischen Cachefs. — In der Nähe befinden sich die mächtigen Überreste eines
ägyptischen Monuments in die Steiumasse des niedrigen Felsen eingehauen. Dies
Monument (auf dem rechten Ufer) wägt das unzweideutige Gepräge eines hohen
Altertums und die Spuren der Kindheit der Kunst. Jene Unvollkommenheit ist
hauptsächlich in allen architekwnischen Teilen der Skulpturen sichtbar, die mit dem
Bau zugleich entstanden z. B. die Statuen, die an den Pfeiler der Tempelvorhalle
angelehnt sind, mit demselben eine Steinmasse ausmachen und ebenso die Gottheiten
in den Nischen des Sanktuariums (d. i. des Allerhelligsten).
Unsere Reise fortsetzend fanden wir in Saad den schon im Altertum berühmten
Palmwein, der auch iu Nubieu aus der süßesten Dattelfrucht bereitet wird. Von Derri
gelangten wir nach Jbrim, einem Städtchen auf einem hohen Felsen liegend. Während
ich hier zeichnete erhielten wir Besuch von den schwarzen Pilgern, die weit aus dem