1882 -
Kiel
: Homann
- Autor: Ahrens, I. F.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
61. Die Klöster als Pflege- und Pflanzstätten des Gewerbes,
der Kunst und Wissenschaft.
Bereits zu den Zeiten der Merowinger begegnen wir klösterlichen
Stiftungen im Frankenreiche, die sich weiterhin zu blühenden Abteien, zu
Stätten der Wissenschaft, der Staatskunst und feinerer Sitte ausgebildet
hatten. Zu Tours hatte Gregor seine Frankengeschichte geschrieben und
unter Karl Martell und Pipin blühten diese segensreichen Zustuchtsorte
für alles, was jene rauhe Zeit an zarteren Regungen kannte, herrlich wei-
ter. Soissons, Tours, Orleans, Metz, Rheims waren bereits damals
Stätten, an denen die spärlichen Reste des Altertums, die geringe Kunde
der Wissenschaften, die Kunst des Schreibens und die Gewohnheit des
Aufzeichnens der geschehenen Dinge bewahrt und gehegt wurde. Irische
Mönche und nach ihnen die angelsächsischen Missionare, Bonifacius und
seine Nachfolger trugen das Evangelisationswerk über den Rhein; St. Gal-
len, Reichenau, Fulda und andere Stätten singen an, in deutschen Gauen
Licht und Wärme zu verbreiten. Karl der Große erwarb sich große Ver-
dienste um die alten und zahlreichen neuen Stiftungen. An jedes Kloster
schloß sich eine Schule an, die Mönche unterwiesen die jungen Söhne des
ungeschlachten Adels in der Kunst des Lesens und Schreibens, führten die
Begabteren unter ihnen auf die grünen Auen des Altertums, ließen die
Franken siegen und lehrten in den mauerumschlossenen Klostergärten
deutsche Bauerknaben die Kunst des Obstschnitls und die Zucht auserlese-
ner Früchte.
Das kirchen- und klosterfreundliche Geschlecht der Karolinger ließ nicht
ab mit Gründung neuer Stiftungen und mit Schenkungen an alte. Jedes
Herrschergeschlecht hatte seine Familienstiftung, jeder Einzelherrscher sein
Lieblingskloster. Ludwig der Fromme gründete 822 das Kloster Korvey
an der Weser. Von den letzten Karolingern ließ Karl der Dicke sich in
Reichenau begraben, dem er zu Lebzeiten viel Gutes gethan hatte; Arnulf
und Ludwig das Kind bevorzugten St. Emmeran bei Regensburg, wo sie
auch beigesetzt wurden. Gandersheim war eine Stiftung der Ludolfinger,
wo später die Schwestern und Töchter des kaiserlich sächsischen Hauses
ihre ansehnliche Versorgung fanden. Stiftungen der bayrischen Agilolfinger
waren die bald zu großer Blüte gelangenden Klöster im Chiemsee, zu
Tegernsee, Benedictbeuren und Wessobrunn. Weltliche und geistliche Große
gründeten Klöster, in welche sie sich am Abend ihres Lebens zurückzogen;
so Eginhard der Zögling Karls des Großen, Seligenstadt am Main, wo
Kaiser Ludwig 836 den Jugendfreund besuchte.
Überblicken wir am Ende des karolingischen Zeitraums das geistige
Leben des ostfränkischen Landes, so finden wir die Kultur, die Pflege der
Wissenschaft und des Unterrichts wesentlich in die Klöster und Bischofs-
sitze zurückgedrängt. Zwar bestand noch die Hofschule Karls, aber diese
erstreckte ihre Wirkung doch nur auf die höchste Aristokratie und darüber
hinaus ließ die unruhige Zeä keine öffentlichen Schulen aufkommen. Die
Schulen aber, die Karl in den friedlichen Mauern von Fulda, Reichenau,