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1. Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung - S. 204

1882 - Kiel : Homann
204 Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt. Ordnungen waren im ganzen Reiche Muster geworden, nach denen Fürsten und Städte ihr neues Leben einrichteten. Der Hauptmarkt war am Sonntage Lieblingsaufenthalt der Männer. Dort standen nach der Predigt Bürger und Gesellen in ihrem Feststaate, plaudernd, Neuigkeiten austauschend, Geschäfte beredend. In allen Handels- städten hatten die Kaufleute besondere Räume zu ihrem „Konvent", den man schon damals die Börse nannte. Auf dem Ratsturme durfte über der Uhr auch der Gang nicht fehlen, von dem der Türmer seine Rund- schau über die Stadt hielt, wo die Stadtpfeifer mit Posaunen und Zinken bliesen. Die Stadtgemeinde unterhielt für die Bürger Bier- und Weinkeller, worin die Preise des ausgeschenkten Trankes sorglich bestimmt wurden, für die Vornehmen besondere Trinkstuben zu anmutiger Unterhaltung. In den alten Reicksstädten hatten die Partrizier wie die Zünfte häufig ihre be- sonderen Klubhäuser oder Stuben, und der Luxus solcher Geselligkeiten war damals verhältnismäßig größer als jetzt. Auch die Gasthäuser waren zahlreich, sie werden in Leipzig als schön und herrlich eingerichtet gerühmt. Selbst die Apotheken standen unter Aufsicht, hatten besondere Ordnungen und Preise, verkauften noch viele Spezereien, Delikatessen und was sonst dem Gaumen behagte. Mehr Bedürfnis als jetzt waren die Badestuben. Auch auf dem Lande fehlte selten dem Bauernhof ein kleines Badehaus, eine Badestube war in jedem größeren Hause der Stadt. Die ärmeren Bürger gingen zu den Badern, welche auch einigen Chirurgendienst ver- richteten. Außerdem aber unterhielten die Städte auch große öffentliche Bäder, in denen umsonst, oder gegen geringe Bezahlung mit allen Bequemlich- keiten gebadet wurde. Dieser uralte deutsche Brauch ging durch den Krieg fast verloren; noch jetzt ist er nicht in dem alten Umfange wieder- gefunden. In den ansehnlichen Städten waren die Häuser der inneren Stadt um das Jahr 1618 in großer Mehrzahl aus Stein, bis drei und mehr Stock hoch, mit Ziegeln gedeckt. Die Räume des Hauses werden oft als sauber, zierlich und ansehnlich gerühmt, die Wände oft mit gewirkten und gestickten Teppichen, sogar von Sammet, und mit schönem, kostbarem Täfel- werk, auch anderem Zierat geschmückt, nicht nur in den alten großen Handelsstädten, auch in solchen, die in jüngerer Kraft aufblühten. Zierlich und sorgfältig gesammelt war auch der Hausrat. Noch war das Porzellan nicht erfunden, reichliches Silbergeschirr fand sich nur an großen Fürsten- höfen und in wenigen der reichsten Kaufmannsfamilien. An dem einzelnen Stück von edlem Metall erfreute noch mehr die kunstvolle Arbeit des Goldschmieds als die Masse. Die Stelle des Silbers und des Porzellans aber vertrat bei dem wohlhabenden Bürger das Zinn. In großer Menge, hellglänzend aufgestellt, war es der Stolz der Hausfrauen, daneben feine Gläser und Thongefäße aus der Fremde, oft bemalt, mit frommer oder schalkhafter Umschrift versehen. Dagegen waren Kleider und L-chmuck auch der Männer weit bunter und kostbarer als jetzt. Noch war darin der Sinn des Mittelalters lebendig, eine Richtung des Gemüts, der unsern
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