1882 -
Kiel
: Homann
- Autor: Ahrens, I. F.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
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breiten Rücken des Kniebis, 972 m, genießt man eine herrliche Fernsicht
über Vogesen und Alpen, über den Schwarzwald und Schwaben bis an
die Tyrolerberge. In seinem Bereich liegt der geheimnisvolle Mummelsee.
In der Mitte ist das fischlose Becken grundlos; oft hängen sich Nebel an
seinen Rand und bei stürmischer Witterung ist unterirdisches Murren und
Aufstrudeln wahrzunehmen. Daraus erklärt sich, daß der See Mittel-
punkt vieler Sagen geworden: namentlich Hausen dort Seefräulein, die den
Bewohnern der Nachbardörfer oft hülfreich an die Hand gehen und im
Mondlicht ihren luftigen Reigen um den See schlingen. Sie hüten auch
wohl die Heilquellen, die um den Kniebis sprudeln.
Die landschaftliche Physiognomie des Schwarzwaldes bietet eine drei-
fache Gestalt. Die Vorberge, das Rheinthal entlang, prangen in reichster
Vegetation mit Laubwaldung, Obsthainen und Rebengarten. Dort gedeiht
der schöne Markgräfler, in den Vorthälern die gute Kastanie und die
Walnuß in besonderer Güte. Hinter diesen Vorbergen, auf der Mittel-
region erfüllt sich des Dichters Wort: — „Der Schwarzwald steht voll
finstrer Tannen" — da ziehen sich die prächtigen Tannenforste hin, die
dem Gebirge den Namen gegeben haben. In den Thalgründen treten
auch Buche, Birke, Esche und Ahorn auf und die duftenden Wiesen
schmückt der üppigste Graswuchs. Die höchste Region bilden kahle Gipfel
und Hochebenen, wo kümmerlich etwas Hafer und Kartoffeln gedeihen.
Einer der rauhesten Teile, der noch angebaut ist, heißt der Dobel. Auf
dieser Höhe, 728 m, liegt ein kleines Pfarrdorf gleiches namens.
Niedrige Hütten mit Schindeldächern, kahle Ebenen, auf denen keine
Obstbäume, sondern nur verkrüppelte Birken wachsen, kalte Winde mitten
im Sommer und halbnackte Kinder, die vor den armseligen Hütten spielen,
das sind Züge, welche das Klima dieser Gegend und die Armut ihrer
Bewohner kennzeichnen. Wenn man eine recht rauhe Gegend bezeichnen
will, da pflegt man zu sagen: „Wie auf dem Dobel im Schwarzwald".
Die Schwarzwälder, mit denen wir hauptsächlich durch Auerbach's
„Dorfgeschichten" so vertraut geworden, sind ein tüchtiger, lieber Menschen-
schlag , voll herzlicher Gutmütigkeit, munter und voll Lebenslust und doch
wieder der ernsten und geheimnisvollen Seite der Dinge geheimnisvoll
zugewandt. Treu hängt der Schwarzwälder an dem Glauben seiner
Kirche, ja um den Glauben schlingt sich wuchernd der Aberglaube. Das
Volk um die Bergseeen herum glaubt noch an allerlei Kobolde, Elfen,
Nixen, Wasser- und Berggeister. Mit diesen Überbleibseln altgermanischen
Glaubens bevölkert die Phantasie der Schwarzwälder Hain, Fels und
Busch, Sumpf und See. In den dunkeln Tannenbäumen, welche die
Häuser beschatten, hausen die Kobolde und man soll sich ja nicht unter-
stehen, einen solchen Baum zu fällen; wer es wagt, kann sich ein unheil-
bares Übel zuziehen. Es giebt unter ihnen aber auch sehr gefällige und
dienstfertige Kobolde, die, wenn man sie in Ehren hält, allerlei Gutes in
der Haushaltung stiften, die Butter frisch erhalten, Milch und Eier
vermehren, das Brot schmackhaft machen und die leeren Honigtöpfe
wieder füllen.