1882 -
Kiel
: Homann
- Autor: Ahrens, I. F.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
sie in den Städten nur mit großem Aufwande künstlich schaffen. Beim
Abbrechen einer Mühle, deren Mauerwerk theilweise in den Fluß reichte,
nahm man aus dem Wasser aufsteigende Blasen von Kohlenwasserstoffgas
wahr. Als man nun Bohrversuche anstellte, brach durch die Öffnung das
Gas hervor, das gesammelt wird und in Röhren nach allen Teilen des
Ortes geleitet, zur Beleuchtung dient. Man erhält alle 12 Stunden
20 — 25 Kubikmeter Kohlenwasserstoffgas. Die ganze Stadt Erie in
Pennsylvanien wird mit natürlichem Gas beleuchtet, das in besonderen
Brunnen aufgefangen wird. Jeder Brunnen giebt täglich 500 ebm Gas.
In der Szlatinaer Steinsalzgrube in Ungarn entwickelt sich ungefähr 90 m
unter Tag Leuchtgas ans den Spalten einer Schicht thonigen Mergels,
die zwischen Steinsalzbänken eingeschlossen ist. Diese Erscheinung war schon
1770 bekannt. Man benutzt das Gas, um die tiefsten Gruben zu er-
leuchten. Auch das Staßfurter Steinsalzlager liefert gleichfalls, obwohl
in unerheblicher Menge, brennbare Gasarten. Der Missionar Jmbert
berichtet, daß man in China in der Provinz Szu-Tchhuan zahllose Bohr-
löcher nach Steinsalz von 4—500 m Tiefe niedergestoßen hat, welche Aus-
strömungen von Leuchtgas zeigen, die zum Teil mit heftigem Getöse ver-
bunden sind. Bambusröhren leiten das Gas in jede beliebige Entfernung.
Man benutzt es zur Beleuchtung von Straßen, großen Hallen, sowie als
Brennmaterial in den Salinen. Den großartigsten Erscheinungen dieser
Art ist das „Feuerfeld" bei Baku am Westufer des Caspiseees zuzu-
zählen, wo an mehreren Punkten perennierende Strömungen von Kohlen-
wasserstoffgas stattfinden. Der Tradition nach soll das Gas schon mehrere
tausend Jahre gebrannt haben.
Das künstlich dargestellte Gas beobachtete schon 1727 ein Engländer
Clayton beim Erhitzen von Steinkohlen und Professor Pickel in Würzburg
war es, der schon 1786 aus Knochen erzeugtes Gas zur Beleuchtung
seines Laboratoriums benutzte. Der Anfang der eigentlichen Gasbeleuch-
tung datiert sich vom Jahre 1792, wo William Murdoch sein Haus und
seine Werkstatt zu Redruth in Cornwall mit Steinkohlengas erleuchtete.
Sein Verfahren wurde aber erst etwa 10 Jahre später bekannt, weshalb
die Franzosen ihrem Landsmann Lebon, der 1780 mit einem aus Holz
gewonnenen Gase seine Wohnung nebst Garten erleuchtete, diese Erfindung
zuschreiben. Die erste Gasbeleuchtung im großen wurde 1802 von
Murdoch in der Maschinenfabrik von Watt & Bolton bei Birmingham
und 1804' in einer bedeutenden Spinnerei zu Manchester ausgeführt.
Von nun an fand die Gasbeleuchtung immer weitere und großartigere An-
wendung und ist in London unter allen Städten am umfassendsten ge-
worden. Lange Zeit wurde die neue Beleuchtungsart jedoch nur auf Fabri-
ken und ähnliche Etablissements angewendet, ehe sie in dem eigentlichen
bürgerlichen Leben Eingang fand. Dies war der Fall im Jahre 1812,
in welchem Londons Straßen mit Gas beleuchtet wurden. Im Jahre
1820 wurde in Paris die Gasbeleuchtung eingeführt. Nach dem Vorgänge
der beiden Metropolen machte die Verbreitung der Gasbeleuchtung in den
Städten rasche Fortschritte und in wenigen Jahren wird sie ihren Lauf um