1882 -
Kiel
: Homann
- Autor: Ahrens, I. F.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
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Kohlenpartikelchen im Innern der Flamme aus Mangel an Sauerstoff
nicht bis zum Glühen erhitzt wird. Bei dem Flachbrenner bildet sich die
Flamme durch einen Schnitt. Die Flamme ist stach, mehr breit als hoch
und findet bei der Straßenbeleuchtung häufige Anwendung. Der Form
der Flamme wegen nennt man den Schnittbrenner auch den Fledermaus-
flügelbrenner. Vorzugsweise zur Ziinmerbeleuchtung wird der Argand'sche
Rundbrenner verwendet, bei welchem die Flamme aus einer kreisrunden
Reihe kleiner Strahlen, deren jeder aus einer besonderen Öffnung tritt,
gebildet wird. Beim Dumasbrenner, dem vorigen ähnlich, tritt der Gas-
strom aus einer kreisrunden Schnittösinung hervor.
Als sehr wertvolle Nebenprodukte bei der Kohlengasbereitung er-
wähnen wir: die Koks, das Gaswasser, Ammoniak enthaltend, den Stein-
kohlenteer, der äußerst mannigfache Verwendung findet, z. B. bei der
Fabrikation der Dachpappe, zur Konservierung von Holz, Mauerwerk und
Metallen, zur Darstellung von Benzin, der Teer- oder Anilinfarben, der
Karbolsäure, des künstlichen Asphalts; den Gaskalk, der in der Gerberei
und bei der Bereitung von Berlinerblau wieder Verwendung findet.
Prof. Rud. Wagner.
171. Das Petroleum, seine Verwendung und seine Industrie.
Nachdem in den Jahren 1857 und 1858 verschiedene Proben und
1859 die ersten Sendungen von amerikanischem Erdöl nach Europa ge-
kommen waren, verschaffte sich dasselbe rasch in allen civilisierten Ländern
Eingang und schon in der Mitte der sechziger Jahre war sein Sieg über
Talg, Stearin, Wachs, Wallrat, Paraffin auf der einen Seite, über
Thran, Rüböl und Solaröl aus der andern Seite entschieden und das
Petroleum als ein mindestens ebenbürtiger Rivale des Leuchtgases an-
erkannt. Der Triumphzug des Petroleums, die Bedeutung, welche es in
einem Jahrzehnt für die Behaglichkeit des Lebens, für die produktive
Thätigkeit der Gewerbe, für den völkerverbindenden Handel erlangt hat,
steht beispiellos da in der Geschichte der menschlichen Kultur.
Das Vorkommen von Erdöl in Virginien, Pennsylvanien und Canada
war schon seit langer Zeit bekannt. Aber erst im Jahre 1857 begann
man nördlich von Pittsburg mit ausgedehnteren Bohrungen nach den
Quellen und erreichte auch mehrere derselben; am 12. August 1859 aber
erbohrte man in der Nähe von Titusville im Oilcreck die erste starke
Quelle, welche bei Anwendung einer schwachen Pumpe schon täglich
400 Gallonen (1 Gallone — 4 Liter), später aber 1000 Gallonen gab,
sich indessen in einigen Monaten erschöpft zeigte. Die Auffindung dieser
Quelle muß als der Ausgangspunkt unserer heutigen Petroleumindustrie
und des Petroleumhandels betrachtet werden. Nach der Entdeckung jener
Quelle bemächtigte sich plötzlich eine ungeheure Aufregung der ganzen
Gegend. Ein Ölfieber brach aus, an Heftigkeit dem kalifornischen und
australischen Goldfieber vergleichbar. Aus allen Berufsarten wandten sich
Leute der Ölgräberei zu. Alle Wert- und Besitzverhältnisse schienen