1882 -
Kiel
: Homann
- Autor: Ahrens, I. F.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
Condamine, der sich in Peru und Brasilien zur Bestimmung der Länge
des Sekundenpendels und des Meridianbogens aushielt, machte 1751, nach
Europa heimgekehrt, zuerst auf diesen Stofs aufmerksam.
Im Jahre 1790 machte Paris die ersten Versuche, das Kaut-
schuk zu chirurgischen Zwecken zu verwenden und fertigte bereits daraus
Binden, Röhren und Spritzen; doch blieb es bei diesen Versuchen. In
Europa fand es bis zu Anfang dieses Jahrhunderts fast keine andere Ver-
wertung als zum Auswischen der Bleistiftstriche, eine Erfindung Magel-
haens. Seit 1815, wo Thomas Hancock das Vulkanisieren (Schwefeln)
des Kautschuks erfand, wodurch es in der Kälte nicht die Elasticität ver-
liert und in der Wärme nicht klebrig wird, datiert sich ein steigender Kon-
sum; jedoch erst seit 25 Jahren, nachdem man frische Schnitte zusammen
zu kleben, das Kautschuk zu lösen und vor allem es durch Kneten und
Walzen zu erweichen verstand, ist es zu einem Artikel geworden, der jetzt
kaum entbehrt werden kann, wie großartige Fabriken davon Zeugnis ab-
legen.
Das ostindische Kautschuk kam noch 1828 in Form von Tier- und
Götzengestalten als Kuriosität nach Europa.
1820 stellte Nagler elastische Gewebe her, indem er in die Kette
feine Gummifäden spannte (Hosenträger, Strumpfbänder u. s. w.). Kurz
darauf fabrizierte Makintosh die nach ihm benannten Regenmäntel
und wasserdichten Zeuge, indem er Kautschuk in Steinöl und Ter-
pentinöl löste, die Masse auf Zeug strich und ein anderes Stück Zeug
darüber preßte. Diese Stosse waren aber dick und schwer. Die besten
wasserdichten Zeuge kommen aus Südamerika, wo man den frischen Milch-
saft zwischen zwei Zeuge streicht und diese durch Walzen aneinanderpreßt.
Das Hartgummi oder hornisierte Gummi wurde 1828 in Nord-
amerika erfunden. Es ist schwarz, oft mit bräunlichem Schimmer und
glänzend, etwas elastisch, und läßt sich erwärmt in jede beliebige Form
bringen, so daß man daraus Gegenstände anfertigen kann, die sonst nur
aus Holz oder Horn gemacht wurden. Es besteht aus Kautschuk und
Guttapercha, dem bis 50 % Schwefel beigemengt sind, häufig jedoch noch
Harze, Asphalt, Steinkohlenteer u. s. w., um die Elastizität zu erhöhen.
Alle diese Stoffe werden in höherer Temperatur zusammen geknetet. Meist
werden aus dieser Masse Kämme fabriziert, auch Spazierstöcke, Knöpfe,
Lineale. Die Juddmasse (Dschedd oder Jet), meist zu Schmucksachen ver-
arbeitet, ist auch Hartgummi.
Der größte Verbrauch von Kautschuk findet in Nord-Amerika statt,
nämlich jährlich 24 000 Ctr.; dann folgt England mit 22 000 Ctr.,
Frankreich und Deutschland jedes mit 20 000 Ctr.
Die bedeutendsten Fabriken befinden sich für das deutsche Gebiet in
Berlin, Köln, Dresden, Breslau, Harburg (besonders für Gummischuhe);
in Österreich in Dien und Prag.
Die Kautschuk-Industrie beschäftigt sich, wie schon erwähnt, mit der
Herstellung von elastischen Geweben, wasserdichten Zeugen, Gummischuhen,
Gasleitungs- und Pfeifenröhren, Spritzen, Schläuchen, Eisenbahnpuffern,