1913 -
Chemnitz-Gablenz
: Thüringer Verl.-Anst.
- Autor: Henck, Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
Die Bremer Btodimofitanten
1. Äie m einige ticre Mamitienfinden und Stadimuflkaimn werden wollen.
Es hatte ein Mann einen Esel, der schon lange Jahre die Säcke un-
verdrossen zur Mühle getragen hatte, dessen Kräfte aber nun zu Ende gingen,
so daß er zur Arbeit immer untauglicher ward. Da dachte der Herr daran,
ihn aus dem Futter zu schaffen; aber der Esel merkte, daß kein guter Wind
wehte, lief fort und machte sich auf den Weg nach Bremen; dort, meinte er,
könnte er ja Stadtmusikant werden. Als er ein Weilchen fortgegangen war,
fand er einen Jagdhund auf dem Wege liegen, der jappte wie einer, der sich
müde gelaufen hat. „Nun, was jappst du so, Packan?" fragte der Esel.
„Ach." sagte der Hund, „weil ich alt bin und jeden Tag schwächer werde,
auch auf der Jagd nicht mehr fort kann, hat mich mein Herr wollen tot-
schlagen; du hab' ich Reißaus genommen; aber womit soll ich nun mein Brot
verdienen?" — „Weißt du was," sprach der Esel, „ich gehe nach Bremen
und werde dort Stadtmusikant; geh mit und laß dich auch bei der Musik
annehmen. Ich spiele die Laute, und du schlägst die Pauken." Der Hund
war's zufrieden und sie gingen weiter. Es dauerte nicht lange, so saß da
eine Katze an dem Wege und machte ein Gesicht, wie drei Tage Regenwetter.
„Nun, was ist dir in die Onere gekommen, alter Bartputzer?" sprach der
Esel. „Wer kann da lustig sein, wenn's einem an den Kragen geht," ant-
wortete die Katze; „weil ich nun zu Jahren komme, meine Zähne stumpf
werden und ich lieber hinter dem Ofen sitze und spinne als nach Mäusen
herumjage, hat mich meine Frau ersäufen wollen, ich habe mich zwar noch
fortgemacht, aber nun ist guter Rat teuer; wo soll ich hin?" — „Geh mit
uns nach Bremen, du verstehst dich doch auf die Nachtmusik, da kannst du
Stadtmusikant werden." Die Katze hielt das für gut und ging mit. Darauf
kamen die drei Landesflüchtigen an einem Hofe vorbei, da saß auf dem Hause
ein Haushahn und schrie ans Leibeskräften. „Du schreist einem durch Mark
und Bein," sprach der Esel, „was hast du vor?" — „Da hab' ich gut
Wetter prophezeit," sprach der Hahn; aber weil morgen zum Sonntag Gäste
kommen, so hat die Hausfrau doch kein Erbarmen und hat der Köchin ge-
sagt, sie wollte mich morgen in der Suppe essen, und da soll ich mir heut
Abend den Kopf abschneiden lassen. Nun schrei ich ans vollem Halje, so-
lange ich noch kann." — „Ei was, du Rotkopf," sagte der Esel, „zieh lieber
mit uns fort, wir gehen nach Bremen: etwas Besseres als den Tod findest
du überall. Du hast eine gute Stimme, und wenn wir zusammen musizieren,
so muß es eine Art haben." Der Hahn ließ sich den Vorschlag gefallen,
und sie gingen alle vier zusammen fort.