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1. Lesebuch zur deutschen Staatskunde - S. 43

1909 - Leipzig : Ehlermann
Vorbemerkung 43 staaten lag. Zwei von ihnen, Österreich und Preußen, erwuchsen auf den Trümmern des Heiligen Römischen Reiches zu europäischen Großmächten, die beide nach der Vorherrschaft in Deutschland strebten. Ehe es zwischen beiden zum Entscheidungskampfe kam, erfolgte die zweite deutsche Gesamtstaatsbildung., der Deutsche Bund (1815—1866), eine völkerrechtliche Vereinigung der deutschen Staaten untereinander zur Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands. Da er die Souveränität der Einzelstaaten unberührt ließ und nur deren Ausübung beschränkte, so enttäuschte er den Ein- heitsdrang des deutschen Volkes und erwies sich auch als unfähig, die politische Freiheit zu sichern, auf die es Anspruch erheben mußte. Der moderne Freiheitsgedanke, die Grundlage aller heutigen Staaten, war in Deutschland zuerst auf dem Gebiete der Erziehung und des Unterrichts hervorgetreten. „Bildet die Nation zu modernen Menschen um, so werden sie sich auch den für sie passenden Staat entwickeln, ja ihn von selbst finden" — ba§ war im Zeitalter unserer Klassiker die politische Grundansicht der Gebildeten. Den Aufbau des modernen deutschen Staates erstrebte zuerst der Freiherr vom Stein in Preußen (s. Nr. 26f.), konnte ihn aber nur in den Grundzügen entwerfen. Zur Hingabe an den Staat ist die Einzelpersönlichkeit gerade durch die Freiheit zu erziehen; denn Staat und Individuum sollen gegen- seitig ihre sittliche Berechtigung und Bedeutung anerkennen. Lange enttäuschte gerade Preußen die nationalen und freiheit- lichen Hoffnungen. Das Jahr 1848 schien ihre Erfüllung zu bringen: unter Ausschluß Österreichs kam eine Neichsverfassung auf der Grund- lage der Volkssouveränität zustande, trat jedoch nicht ins Leben, da Preußen die Kaiserkrone nur aus der Hand der Fürsten annehmen wollte. Mit ihnen versuchte Friedrich Wilhelm Iv. vergeblich eine „Union" zustande zu bringen unter Ausschluß Österreichs. Deutsch- land blieb ein loser Staatenbund; eine Verfassung ward auch in Preußen eingeführt (s. Nr. 27). — Der sich verschärfende Gegensatz zwischen Preußen und Österreich führte schließlich 1866 zur kriege- rischen Lösung der deutschen Frage und 1867 zur Begründung des Norddeutschen Bundes, der in keinerlei rechtlichem Zusammen- hange mit dem Deutschen Bunde stand. Scheinbar war durch Frankreichs Einmischung die Zersplitterung Deutschlands besiegelt, in Wirklichkeit aber der Weg zur nationalen Einheit geebnet, vor allem infolge der Schutz- und Trutzbündnisse mit den süddeutschen Staaten und durch den Zollverein. Der Krieg gegen Frankreich 1870 führte dann zur Begründung des Deutschen Reiches mit einem Kaiser an der Spitze. Durch das Zusammenwirken Preußens mit den Regierungen der übrigen deutschen Staaten und mit der ent- fesselten Begeisterung des deutschen Volkes kam das neue Reich zustande. Diese drei Kräfte auf das Ziel der nationalen Einheit hingelenkt zu haben, ist das Verdienst Bismarcks, der den preußischen Staats- und den deutschen Einheitsgedanken aufs großartigste ver-
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